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    Veteran Avatar von Onyx
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
    Onyx ist offline

    Zentraler Sumpf, Tempelruine, 2. Tag, Dämmerung - Ryu, Griffin, Freiya, Onyx

    Die Stellung halten war gut. Onyx war noch lange nicht so weit großartig zu kämpfen oder sonst irgendwas zu machen, was allen wirklich half. Die Gifte baute er gut ab aber zitterte auch teilweise am ganzen Leib, bevor er schwitze, als wäre Hochsommer. Es regulierte sich und dadurch wusste der Waldläufer auch, dass sein Geist bald wieder Dinge sah, die nicht da waren und dann wieder doch. Onyx Philosophie über das Sein war simpel. Was da war, was gesehen wurde oder auch nicht und anderweitig zu spüren war, war da. Es gab kein Nichts, weil das Nichts selbst schon von jemandem als Nichts betrachtet wurde und dann Nichts war.
    Ob das seine drei Begleiter auch so sahen? Er blickte ihnen nach und hoffte, dass sie nichts finden würden. Nur große hässliche Fledermäuse. Irgend ein Monster brauchte es nicht. Davon hatten sie heute schon genug gesehen. Jadewolf war für Onyx ein Monster. Aber ein gutes Monster, das auf ihrer Seite stand. So sehr der große Wolf Mensch war, war er für Onyx sowas wie die andere Seite des Waldvolkes. Hier all die einfachen und guten Menschen, die Waldläufer und Jäger die zusammen eine Gemeinschaft bildeten und da Monster wie Jadewolf, wie Boss Ryu und auch Meister Griffin.

    Von Griffin hatte der Hüne gehört. Wie bekannt er auf dem Festland für seine Bogenkunst war. Ein Meister. Hier aber hatte Onyx mit sinkender Vergiftung Dinge gespürt, die wie bei Boss Ryu waren. Anders, aber die Aura umgab den beleibten Mann. Sie waren wie Jadewolf nur die andere Seite der Münze. Eine Münze deren Wert schwer zu beziffern war, waren sie es, die Dinge bekämpften die die andere Seite des Waldvolkes nicht so schnell zu Gesicht bekamen und so etwas von einer heilen Welt rund um Tooshoo bewahrt wurde.

    Und er? Was war er? Auch ein solches Monster? Onyx einfache Logik sagte ja. So sehr er auf sein Abenteuer zurück blickte und auch sah was die Pflanzen mit Onyx machten, so sehr konnte er es auch nicht verneinen, anders zu sein. Nicht mehr nur auf der einen Seite zu stehen und nur Teil der Gemeinschaft zu sein. Denn was ihm mit dem Snapperkraut und der Goblinbeere widerfahren war, das passierte nicht einem gewöhnlichen Menschen. Aber einen Monster, einen neuen Menschen.
    Einen Hüter der Gemeinschaft des Waldvolkes, ohne dass das Waldvolk in allen Ebenen ahnte, dass es sowas gab.

    Er war also ein Hüter. Konnte sich so nennen. Und sonst? Das behüten der Gemeinschaft ging Hand in Hand mit Dingen bekämpfen und beobachten, die eine Bedrohung für das Leben waren. Für alles Leben aus Perspektive eines Menschen des Waldvolkes. Das war die Natur und Onyx verstand einen Bruchteil dessen, was die Olvara mit ihm vor hatte. Sein Geist sprach permanent auf Pflanzen an und nur mit genug Verdrängung schaffte er es, nicht die Stimmung eines Baumes ständig wahrzunehmen.
    Sein letzter Schlaf auf einem Baum war nicht erholsam gewesen, weil der Baum sich ständig zu melden schien. Wie jemand, der ständig nach einem blickte, dann weckte, dann sagte, dass alles gut sei und man weiter schlafen könne. Pflanzen dachten nicht wie Menschen.

    Onyx hatte sich ein gutes Versteck mittlerweile gesucht und lauschte. Er beobachtete und wartete auf die Drei, die nicht mehr zu sehen waren. Er hoffte sie hatten Fackeln oder sowas dabei.

    Es gab dann keinen Zufall oder Sache die er gerade machte, als sich seine Perspektive änderte. Ändern musste, denn die schwere, behäbigen Schritte die er vernahm sorgten dazu, dass sich seine Nackenhaare aufbäumten und er seinen Bogen fester umgriff.
    Der dunkle Oger war erschienen.
    Sah sich um und schnüffelte die Luft ab.
    Wohin wollte er? Kurz richtete er sich in die Richtung aus wohin die anderen Drei los waren, dann aber stoppte er.
    Ein sehr lauter Frosch war zu hören. Als ob er Alarm schlagen würde.
    Onyx sah sich im Dämmerlicht um, konnte aber nichts erkennen. Bis auf eins. Die Silberäugige die hinter dem Oger schlich und ihn beobachtete. Sie griff nicht an, sondern machte eine Geste der senkenden Waffen und dass er verfolgen sollte. Sie hatte einen Plan? Onyx verstand und pirschte hinter dem Oger hinterher, der wiederum dem lauten Frosch zu suchen schien.
    So sollte es sein. Die Drei würden es auch ohne einen halb vergifteten Onyx schaffen.

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    Abenteurer Avatar von Zarra
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
    Zarra ist offline

    Westlicher Sumpf, Niradh, 2. Tag, später Abend - Zarra und Ornlu

    Schwierig beschrieb nicht mal im Ansatz den Versuch aus dem Wolfsmann schlau zu werden. Er sagte das eine, meinte das andere und noch so viel mehr, sodass Zarra kaum zu fassen im Stande war, welchen Sinn er in Worte kleidete, die lediglich unzulängliche Beschreibungen zu formen im Stande waren.
    Beherrsche es einfach, dachte sie mit Gram, So wie ich meine Unsicherheit beherrsche? Ganz toll.
    Und dieses Gerede von einem Weltenriss. Was war das überhaupt? Was meinte er damit, wenn er es als Grund für die Unruhe im Sumpf nannte? Eine Art Riss in der Welt, hervorgebracht durch unkontrollierte Magie, welche Dinge wie diesen Tausendfüßer freigesetzt hat? Das klang so fantastisch, dass es kaum der Realität entsprechen konnte. Oder?

    Als er dann von einem Ritual am Steinkreis berichtete, verlor sie beinahe die Fassung. Welches Monster würde einem Schmetterling die Flügel ausreißen? Obwohl – auch Libellen jagten die Falter und labten sich an ihnen. Es war der Lauf der Dinge. Dennoch atmete sie erleichtert auf, als er es als Scherz entlarvte. Ein absolut humorloser Scherz noch dazu, wie sie fand.
    Schließlich eröffnete er ihr Wissen, welches sie zwar erahnte, doch niemals bestätigt bekommen hat. Man verbrachte nicht sein ganzes Leben lang im Kreis einer Gemeinschaft ohne zumindest zu bemerken, dass manche unter ihnen…anders waren. Druiden nannten sie sich, Erwählte der Natur, die ein Gleichgewicht zwischen Chaos und Ordnung bildeten, mit welchem sie Mächte freizusetzen vermochten, deren Vorstellung allein Zarras Fantasie überstieg.

    „Wir sind eines der großen Geheimnisse des Waldvolkes und das bleibt so. Verstanden.“
    „Verstanden“, bestätigte das Mädchen und untermalte ihre Einwilligung mit einem ernsten Blick, der wohl nur Dank der Kratzspuren in ihrem Gesicht Wirkung zeigte.
    In dem Moment, wo sie auf die Bitte Ornlus hin die Augen schloss, spürte sie, was er ihr mit Worten nur schwer begreiflich hatte machen können. Sie lauschte seinen Beschreibungen, doch spürte viel mehr ihren Inhalt, als dass sie ihn hörte. Wie der Widerhall der allesumfassenden Mächte um sie herum flossen Wogen an ihrem Körper entlang, spielten mit ihrem Haar. Trotz geschlossener Augen glaubte sie zu sehen, wie die Magie durch die Höhle wanderte, gelenkt von den Worten des Jadewolfs.

    Sie öffnete die Augen, als sie dazu aufgefordert wurde, bunte Lichter tanzten durch ihre Sicht, während sie die Frage des Druiden auf sich wirken ließ. Sie hatte so viele eigene Fragen, die ihre Antwort beeinflussen würden, doch etwas verriet ihr, dass dies nicht die richtige Zeit dafür war. Sie spürte, wie das seit kurzem immer anwesende Kribbeln ihrer Haut zunahm. Tausende Ameisen krabbelten ihr über Arme, Beine und Stellen, die sie für gewöhnlich verborgen hielt. Der Juckreiz stieg mit jedem Moment des Denkens an und ihre Narbe pulsierte erneut mit einem schwachen Licht, welches auf die Magie um sie herum reagierte. Doch davon bemerkte sie selbst nichts.
    „Nimm sie“, flüsterte sie schließlich, bereit aufzugeben, was noch jung in ihr heranwuchs, bevor es sich ihrer bemächtigen konnte.
    Sie wollte nicht der Grund dafür sein, dass andere verletzt wurden, jene, die ihr geholfen und sie akzeptiert hatten oder es vielleicht noch würden.

    Ornlu nickte und bat sie erneut die Augen zu schließen. Sie spürte, wie sich ähnliche Wogen der Magie ihr näherten, in sie eindrangen und…
    Sie keuchte entsetzt, riss die Augen auf und starrte panisch in die Augen des Wolfes, der sie fixierte. Es war, als hätten sich die Reißzähne eines Raubtiers in ihr Innerstes gebohrt. Es riss und zerrte, versuchte einen großen Teil seiner Beute herauszuziehen. Sie fühlte den Hunger, den die Bestie empfand, bemerkte jedoch auch Zurückhaltung, die schließlich dafür sorgte, dass das Gefühl von einem Wolf gerissen zu werden, abebbte. Ersetzt wurde es durch eine vorsichtigere Herangehensweise, so als würde einem alten Tier ein zaghaftes Ende beschert.
    Mit einem letzten, kräftigen Ruck gab die Magie in Zarra nach, wurde verschlungen von dem Maul des Raubtiers und mit ihr verlor sie auch das Bewusstsein, driftete langsam ab in einen dämmrigen Zustand, an dessen Ende der Schlaf auf sie wartete.
    „Dan…ke…“, wisperte sie noch, als sie spürte wie das Kribbeln nachließ.
    Ihre Narbe war wieder nichts weiter als das, eine Narbe.

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    Burgherrin Avatar von Freiya
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
    Freiya ist offline

    Zentraler Sumpf, Tempelruine, 2. Tag, Abenddämmerung - Ryu, Griffin, Freiya

    Was war das nur für ein Ort? Dieser Tempel war Freiya nie aufgefallen, aber eigentlich konnte man dieses Gebäude doch nicht übersehen? Aber wie sie bereits festgestellt hatte, war dieser Teil des Sumpfes ihr nicht so geläufig. Die Ereignisse hatten sich überschlagen, seit diese geheimnisvolle Frau die drei Jäger an diesen Ort geführt hatte, damit sie Zarra finden konnten. Onyx‘ Auftauchen war nur der (erfreuliche) Auftakt gewesen, dem das Erscheinen dieser Wolfskreatur gefolgt war. Etwas, das Freiya zunächst zutiefst erschreckt hatte, aber Ryus einfache Worte und Geste hatten sie beruhigt. Doch mit der Erklärung, dass diese Wolfsbestie Jadewolf war, hatten sich sofort wieder unendlich viele Fragen in ihrem Kopf gebildet, begleitet von einem unangenehmen Gefühl gegenüber dem Mann mit den Tattoos im Gesicht. Doch es war keine Zeit, sich über all diese Dinge Gedanken zu machen. Jetzt brauchte es den Fokus auf das, was da vor ihnen lag. Zarra schien gerettet, aber dennoch gingen sie in diese Tempelüberreste, um der Finsternis, die über den Mauern lag, auf den Grund zu gehen.

    Onyx hatte sich so eben von ihnen verabschiedet und Ryu und Griffin steuerten auf den mittigen Turm zu, als der Angriff kam. Ryu und Griffin schienen es mit ihren übernatürlichen Sinnen schon gespürt zu haben, sie hielten mit einem Mal inne.
    „Rücken an Rücken!“, gab Ryu das Kommando und bevor Freiya wusste, was geschah, waren die beiden Männer an ihrer Seite. Ryu hatte das Schwert gezogen, Griffin tat es ihm gleich und gerade als die Rothaarige sich ihnen anschließen wollte, ging ein Schwarm Fledermäuse auf sie nieder. Die Biester attackierten sie aus der Luft. Freiya zog schnell ihre Klinge nach oben. Eines der fliegenden Wesen flog über ihren Kopf hin und her, kurz betrachtete sie seine Flugbahn und stach dann dort zu, wo es hinfliegen würde. Sie erwischte das Vieh, doch bevor sie ihr Schwert wieder nach oben gezogen hatte, waren schon wieder zwei neue Fledermäuse da. Eine Klinge blitzte von ihrer rechten Seite auf, schnell und präzise. Zwei weitere der Angreifer landeten kopflos am Boden.
    „Danke“, rief sie Ryu hastig zu, musste sich dann aber schon auf die nächste Attacke konzentrieren. Diese Viecher wollten ihnen die Augen auskratzen und versuchten sie zu verwirren. Doch Freiya hatte gesehen, wie Ryu die Klinge geschwungen hatte und so machte sie es ihm nach.
    Sie ließ die Schwertspitze nach oben gerichtet und mit leichten, aber genauen Schlägen brachte sie die Fledermäuse von ihren Flugbahnen ab.
    „DIESE FLIEGENDEN ARSCHGESICHTER!“, brüllte Griffin auf einmal zornig neben ihr, warf sein Schwert fort und packte eines der Viecher mitten aus der Luft im Flug. Dann schmetterte er es zu Boden. Anschließend ließ er ein wildes Brüllen hören, dass Freiya das Gefühl hatte, dass die Wände wackelten und der ein oder andere Stein im Gemäuer verschoben wurde.
    Die Fledermäuse schienen durch das Brüllen in ihrem Flug gestört zu werden und sich mit einem Mal nicht mehr orientieren zu können. Freiya machte einige Schritte nach vorn und holte die Viecher aus der Luft, die ihr vor die Nase kamen. Dann plötzlich hielten die Tiere inne, als hätten sie einen Ton gehört, der für die Menschen nicht hörbar gewesen war. Augenblicklich flogen sie wieder zurück in die Mauern, aus denen sie gekommen waren. So schnell, wie sie gekommen waren, waren sie wieder verschwunden und es herrschte wieder Ruhe.
    „Das waren Späher, ein Empfangskomitee“, brummte Griffin und hob ächzend sein Schwert vom Boden auf. Ryu wischte seine Klinge ab und schob sie zurück in die dafür vorgesehene Scheide.
    „Wir werden beobachtet!“, knurrte er. „Seid vorsichtig.“
    Zusammengerückt gingen sie weiter.

    Die drei Jäger hatten sich nun endlich dem Turm genähert und kamen in eine Art Unterbau. Hier war es nicht mehr so weitläufig, sondern dunkle, enge Gänge lagen abweisend vor ihnen. Eine Gänsehaut überzog Freiya. Sie sollten nicht hier sein.
    Ryu ging voran und bewegte sich lautlos wie furchtlos über das Gestein, Griffin ebenso, Freiya folgte ihnen, in beidem aber nicht so erfolgreich wie die beiden Männer.
    Als sie an einem Seitengang vorbeikamen, in den noch etwas dämmriges Licht fiel, nahm sie plötzlich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr. Etwas erschrocken blickte sie in den Gang.
    Hatte sie da nicht eben eine Person gesehen?
    „Wartet mal kurz bitte“, sagte sie und machte ein paar Schritte weg. Doch der Gang führte in nichts weiter als die Dunkelheit, hier gab es nichts zu sehen. Sie hielt inne und lauschte mit angehaltenem Atem. Außer einem steten Geräusch von Wassertropfen war nichts zu hören. Merkwürdig! Normalerweise konnte sie sich doch auf ihre Sinne verlassen …
    Freiya wandte sich wieder um und wollte zurückgehen, als es mit einem Augenblick war, als würde sie gegen eine schwarze Wand laufen. Sie prallte an etwas ab und strauchelte nach hinten. In der Finsternis fand sie keinen Halt und plötzlich war da ein Abgrund, den sie vorher übersehen haben musste. Der glatte Stein unter ihren Füßen ging steil hinab und Freiya konnte sich nirgends festhalten, um ihren Sturz aufzuhalten. Sie rutschte in der Dunkelheit nach unten und landete schließlich mit einem dumpfen Geräusch in einer Grube.
    Mit einem Schrecken aber sonst unverletzt rappelte sie sich etwas auf. Die Jägerin war in einem kleinen Raum gelandet, der von weit oben noch etwas dämmriges Tageslicht durchließ, sodass sie sich umsehen konnte. Auf dem Boden lag zerfallenes und verrottendes Laub, das ihren Fall aufgefangen hatte. Langsam erhob Freiya sich und klopfte sich den Dreck von ihren Sachen.
    „R-Ryu? Griffin? Hallo?“, rief sie, während ihr der Schreck immer noch in den Gliedern steckte. Doch sie hörte keine Antwort. Hatten die beiden ihr Verschwinden überhaupt bemerkt?

    Resigniert sah sie sich um. Saß sie in der Falle? Wie kam sie aus dieser Grube raus? Es schien keinen Ausgang zu geben als den Schacht, den sie eben herunter gerutscht war. Doch die Wände waren zu glatt, um einen Aufstieg zu versuchen. Verdammte Snapperscheiße. Ja, sie saß in der Falle! Noch einmal rief sie nach Ryu und Griffin. Lauter diesmal, auch verzweifelter, doch ihre Rufe hallten nur unangenehm an den Steinwänden wider.
    „Sie hören dich nicht, Weib.“
    Freiya erschrak fast zu Tode, als die Stimme sprach. Hektisch drehte sie sich um. Doch, da war niemand … oder? Zitternd bewegte sie sich ein Stück zur anderen Wand der Grube und da saß … ein Toter! Freiyas Herz wollte vor Schreck fast stehen bleiben! Da saß ein Skelett in einer Rüstung, neben seinen morschen Knochen ein Schild und ein altes, verrostetes Schwert.
    Sie hielt sich die Hand an ihr wild klopfendes Herz und hatte die Augen geschlossen, während sie versuchte durchzuatmen. Es ist nur ein Skelett, versuchte sie sich zu beruhigen. Dann öffnete sie langsam wieder die Augen. Der Tote war noch da. Sie beugte sich langsam zu ihm, um ihn näher zu betrachten. Dem Gesamtzustand des Toten nach zu urteilen, musste er schon eine ganze Weile hier unten sitzen. Er schien nicht zum Waldvolk gehört zu haben, trug er doch eine volle Rüstung, statt der üblichen Kluft der Wächter, Jäger oder Waldläufer. Sein Brustpanzer zeigte ein auffälliges Emblem: eine rote Sonne auf schwarzem Grund.

    Das war doch auch das Zeichen, das sie auf dem Banner gesehen hatten, den sie im Gebirge bei dem zerstörten Portal gefunden hatten! Und es gehörte … es gehörte zu einer Person. Freiya schlug sich die Hand gegen die Stirn und verzog das Gesicht. Erneut wollte sie sich in den Kampf mit ihren Erinnerungen begeben, war schon verärgert und resigniert darüber, dass es ihr damals nicht eingefallen war. Doch diesmal, ja, dieses Mal war es anders.
    Das, wonach die Rothaarige im Gebirge noch so vehement gesucht hatte und was ihr Kopf ihr verwehrt hatte, das spülte es nun an die Oberfläche wie Treibgut, das lange im Meer umher geschwommen war … Bilder wirbelten vor ihrem inneren Auge umher und sie sah die Banner in einer Stadt – Stewark! – hängen. Jun war der Name des Mannes, zu dem diese Banner gehörten. Jun Qel-Dromâ. Sir Jun Qel-Dromâ, Fürst von Quasar und Streiter des Innos. Mit diesem Namen kam ein Gesicht. Und mit diesem Gesicht kamen Worte und noch mehr Erinnerungen. Sie sah sich plötzlich an einem Strand diesem Mann gegenüber stehen. An ihrer Seite der Schwarzhaarige, der in seinem Gesten klar machte, dass sie an seine Seite gehörte. Jun, der sich vor ihr verbeugte. Doch sie sah ihn auch, wie sie selbst (!) auf einem Pferd saß in einer schneebedeckten Landschaft und er ebenso auf einem Ross. Und sie sah ihn in einem Saal sitzen, wie auf einem Thron und wie er sie wütend anschrie.
    „Oh Jun“, entfuhr es ihr grimmig und sie ballte die Faust.
    „Du kennst mich also noch, unwürdiges Weib.“
    Erneut war die Rothaarige einem Herzstillstand nahe. Sie drehte sich um und da stand … Jun.

    Langsam erhob sie sich. Was war das für ein fauler Zauber? Da stand wahrhaftig eine Person vor ihr, die sie kaum zu erkennen vermochte in dem Zwielicht.
    „Wer bist du?“, entfuhr es ihr.
    Ihr Gegenüber holte Luft und ein Donnern ertönte:
    „Das Gesetz! Dir steht es nicht zu, eine Waffe zu tragen. Dir steht es nicht zu unter Kriegern zu treten und zu sprechen! Dir steht es nicht zu, vor mir zu sprechen, Weib! Innos schuf die Ordnung und seine Ordnung ist Gesetz. Das Gesetz bin ich! Unterwirf dich der heiligen Flamme! Büße für deinen Frevel! Oder brenne im Feuer!”, donnerte die Stimme der Herrschaft und aus den Schatten loderten Flammen auf. Ein blendendes Licht umgab Jun, dass Freiya die Hände heben musste, um ihre Augen zu schützen. Hoch gerüstet und mit edler Haltung, wie ein legendärer Paladin mit flammenden Schwert stand Jun da. Er hob sein Schwert, fixierte Freiya mit seinen zornigen Augen und hielt sich bereit, sie zu richten. Erschrocken wich die Rothaarige einen Schritt zurück, hatte aber schon die Mauer im Rücken. Entsetzen machte sich in ihr breit, dann schüttelte sie ungläubig den Kopf. Doch bevor die Wut über das, was er gesagt hatte, sie zu etwas Unklugem hinreißen konnte, versuchte sie sich zu beruhigen. Gegen diesen gerüsteten Hünen mit seinem Flammenschwert hatte sie keine Chance hier. Nicht allein.
    „Verdammt, RYU!? GRIFFIN?!“, schrie sie mit einem Hauch Panik in der Stimme. Sie konnte die Hitze, die von ihm ausging, spüren.
    „Du fürchtest das Feuer, weil du schuldig bist! Du fürchtest die Strafe, weil du nun die Strafe selbst ertragen musst“, sprach er zornig. „Innos ist nur bei den Mutigen! Bei jenen, die da sich für andere erheben! Doch du! Ein Weib wie du bist – schwach und abhängig! - Bist nicht mutig! - Andere bluten, kämpfen und streiten für dich! Du stehst nur dabei und erhebst den Anspruch zu kämpfen. Doch bist du nicht dafür geschaffen, Weib.“
    Dann packte er sie mit seinem behandschuhten Arm und zwang sie, ihm ins Gesicht zu sehen.
    „Sieh genau hin und sieh ihren Zorn, ihre Wut, ihre falsche Vorsicht! Das bewirkst du, Weib! Ihre Gefühle manipulierst du und machst sie schwach. Sie spüren deine Schwäche, die ihre Schwäche wurde und erkennen, dass Innos recht hat. Du bist nichts und machst diese Männer zu nichts! - Siehst du deine Schuld? Sie werden wegen dir sterben. Sieh genau hin, was Innos dir zeigt!“, sprach Jun kreiste einmal mit dem flammenden Schwert und offenbarte Freiya einen Blick in andere Gänge des Tempels.

    Da war Griffin, wie er nach ihr suchte und die Gefahr hinter ihm nicht nahen sah. Er spürte nicht, er sah nicht, er hörte nicht, was da auf ihn wartete. Immer wieder rief er Freiyas Namen, bis er ein plötzliches und schreckliches Ende fand, als ihn ein dunkler Schatten rücklings durchbohrte.
    „Ich wollte doch nur Zarra retten, nicht Freiya“, waren seine letzten Worte.
    „Siehst du das, Weib? Sieh genau in seine Augen! Sieh den Wunsch, noch zu leben, noch zu lieben und zu beschützen. All dies verloschen, weil er nach dir suchen musste!“
    Freiyas Knie wurden schwach.
    „Nein“, wollte sie sagen, doch ihre Stimme brach bereits und sie wandte sich in seinem brutalen Griff.
    „SIEH HIN!“
    Nun war da Ryu. Sie sah, wie er erbittert kämpfte und korrumpierte Wesen erschlug. Eine Bestie nach der anderen. Tapfer und mutig wie ein Paladin, aber in seiner doch so eigenen Art. Doch auch ein Hayabusa war an weltliche Grenzen gebunden und wurde letztendlich von der schieren Flut an Gegnern zerschmettert. Die Legende, der große Krieger des Waldvolkes in irgendeinen verlassenen Tempel, durchbohrt von Klauen und Zähnen irgendwelcher unwürdiger Kreaturen.
    „So verstirbt Ryu Hayabusa, Held des Waldvolkes und legendärer Hüter. Auf der Suche nach Frejya die sich nicht selbst retten konnte. Das sind sie mit dir, verfluchtes Weib! Das ist ihr Schicksal! Du machst sie schwach. Schwächlinge gehören von Innos‘ Antlitz getilgt. Knie nieder in den Dreck, in den du gehörst.“
    Er ließ sie los, stieß sie zu Boden und hob das Schwert. Mit einem Glühen in den Augen ließ er seine Klinge auf sie niedersausen. Freiya hob noch ihre Arme, doch sie hatte keine Chance mehr.

    Doch dann – mit einem Mal – war es finster. Und still.
    Erst nach ein paar Augenblicken wagte Freiya es sich zu rühren. Was war geschehen? War sie gestorben? Die Szenerie war wieder so, als wäre Jun ihr nie erschienen.
    Heftig atmend blickte sie sich um. Was bei allen Göttern war das gewesen? Erst langsam begannen ihr Herz und ihr Atem sich zu beruhigen. Dafür fing sie leicht an zu zittern.
    Was nun?
    Sie saß immer noch am Boden. Immer noch in der Falle. Wie kam sie hier nur wieder raus? Würden Ryu und Griffin sie finden? Sollte sie noch einmal rufen?
    Nein.
    Nein. Das würde sie nicht tun. Das konnte sie nicht tun. Juns Worte … hatten einen empfindlichen Punkt in ihrer Seele getroffen. Er hatte Recht, Ryu und Griffin brauchten Freiya nicht. Sie waren besser dran ohne sie. Sie waren stark. Sie hatten ihre Werte, die sie verteidigen würden. Die beiden Jäger waren die besten Kämpfer, die Freiya je gesehen hatte. Ricklen hatte es gewusst und es auf seine Art und Weise sagen wollen, dass sie in ihren Reihen nichts verloren hatte.
    Sie hatte gesehen, zu was die beiden fähig waren. Was sollte sie da schon ausrichten, außer die beiden vielleicht in Gefahr zu bringen?
    Eine bittere Erkenntnis.
    Als junges Mädchen hatte sie sich, geschlagen und geschunden auf nicht mehr als etwas Stroh unter Berlewins Tisch, bei weitem nicht so einsam gefühlt wie in diesem Moment. Damals hatte sie es nicht anders gekannt. Nun aber hatte sie Zuneigung erfahren. Geglaubt zumindest, das gespürt zu haben. Dass sie gemocht wurde, so, wie sie war.
    Das schmerzte mehr als alles, an was sie sich erinnern konnte und ihr je zugestoßen war.

    Sie zog die Beine ran und legte ihre Arme darum, um ihr Gesicht zu vergraben. Dann fing sie an zu weinen.
    Allein.
    In der Dunkelheit.
    Und nie hatte sie sich verlassener gefühlt.

  4. Beiträge anzeigen #24 Zitieren
    Waschweiber-Verführer Avatar von Ornlu
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    Westlicher Sumpf, Niradh, 3. Tag, früher Morgen - Zarra, Kiyan Ornlu und seine Jungs

    Der Morgen war angebrochen und in Niradh befanden sich nun weit mehr Leute, wie gestern Abend. Zarra wirkte noch müde, doch auch ein wenig anders. Ihre Magie zu nehmen, war ein seltsames Gefühl gewesen. In vielerlei Hinsicht. Ihr Bund war auch ungewöhnlich, suchten die Insektenwesen doch selten den Kontakt zu Menschen.
    Doch dank ihr, konnte der Druide seinen Plan überhaupt umsetzen und hatte auch eine Lösung dafür, wie sie zurück in das Basislager gelangen konnte. Ein wenig riskant, aber der Druide hatte nicht das Gefühl, dass sie scheitern würde und ein drittes Kommando zur dritten rettung aufbrechen müsste.
    “Das ist Zarra von den Rimbe. Ich habe sie hierher gebracht und stelle euch nun ein wenig vor. Ihr verdanken wir, dass wir heute anders jagen werden. Das ist Vigo von den Telcontar.”, stellte Ornlu vor und Vigo galant wie ein ungekrönter König verbeugte sich vor ihr und wünschte ihr in der alten Sprache des Waldvolkes “Mögen die Sterne immer über dir leuchten und dir den Weg weisen.”
    “Das hier ist Iun von Vengard und Kiyan von Gorthar. Ersterer ein langjähriger Freund und Letzterer ganz neu in unserer wilden Truppe und ein wenig in Ausbildung.”. erklärte der Druide und beide begrüßten sie.
    “Und ich bin Okam, schönes Mädchen. Meister Jadewolfs bestester Freund und mehrmaliger Lebensretter und Held vieler Schlachten.”, prahlte Okam und verbeugte sich auch vor ihr. Nicht so galant wie Vigo. Eher wie ein Wildschwein, das versuchte sich zu verbeugen.
    “...und der begabteste Dummschwätzer von allen. Augen auf die Beute, Okam!”, funkelte Ornlu ihn doch recht energisch an und erinnerte ihn daran, weswegen sie hier waren. Die Autorität war der Druide in dieser für wahr sehr wilden Gruppe. Wild weil sie alle bis auf Kiyan so tätowiert waren und einfach allesamt ein wildes Äußeres an sich hatten, das mehr an Wölfe und Bären erinnerte, statt an adrette Waldläufer mit gepflegten Bärten und schön gekämmten Haaren. Wobei gab es die bei ihnen oder dachte Ornlu immer wieder nur dabei an Ricklen und wie wohl Jilvie jeden Abend sein goldenes Haar durchkämmen musste.
    “Hört zu. Das ist mein Plan. Zarra muss ins Basislager und wir wollen Wrooot jagen. Mein gestriges Abenteuer hat mich viel Kraft gekostet und mein Geist ist noch nicht ganz im Gleichgewicht. Deswegen möchte ich das Ritual der Tierseele mit euch durchführen. Kiyan, Vigo, Okam und Zarra werde ich damit beseelen. Ihr werdet mit der Seele des Wolfes jagen. Iun und ich folgen euch mit unseren Bögen. Wrooot hat noch vier Köpfe hoffe ich und wenn wir was gelernt haben, dann dass er unter Druck nicht klar kommt. Jarvo war extrem. Drei die weniger Extrem, aber als Rudel agieren werden an die Schädel kommen und mit Iun und mir im Hintergrund wird das gelingen. Ich vertraue auf eure neuen Fähigkeiten für die Jagd.”, klärte der Jagdführer auf.
    “Bist du dir sicher? Was ist mit den Bäumen, die dieses Mistvieh erweckt?”, fragte Okam.
    “Und was macht Zarra? Wieso lassen wir sie nicht hier und du gibst mir auch die Seele des Wolfes?”, fragte Iun. Nicht eifersüchtig, aber durchaus berechtigt überlegt.
    “Die Bäume sind nicht schnell und ich vermute ab dem Moment wo Wroooot vernichtet ist, auch nicht mehr eine Gefahr. Ich habe das letzte Mal unheimlich viel Kraft benötigt, um diese Bäume auszuschalten. Und…ein riesiger Wolf mag seine Wirkung haben, aber ein Rudel Wölfe jagt besser. Ich will Wroooot hetzen und treiben, bis er völlig in die Enge getrieben seinem Schicksal nicht entkommen kann.“, antwortete Ornlu zuerst Okam. Sein Jagdkommando stimmte diesem Gedanken zu. Dann blickte er zu Zarra und Iun.
    “Weil du unser bester Schütze bist und dafür diese Beseelung nicht brauchst. Zarra jagt nicht mit uns, sie wird sich alleine zum Basislager durchschlagen.”, erklärte Ornlu und blickte wie alle auf die junge Frau.
    “Ich vertraue darauf, dass du es schaffst und sicher zu deiner Großmutter ankommst.”, sagte Ornlu und musste wieder an dieses Rotkäppchen denken. Das wollte doch auch zur Großmutter? Nur der große, böse Wolf half ihr hier.
    “Nerea wird mich zwar umbringen, aber deine Großmutter hat dich lange genug vor dieser Welt versteckt und bewahrt. Soll sie doch über mich schimpfen. Du bist kein Kind mehr und bekommst sogar ein wenig Hilfe. Das muss reichen oder du bist für diese unsere Welt nicht geschaffen.”, meinte der Wolfsdruide und legte einen ernsten, aber auch provokanten Ton an. Er wollte eine Antwort von Zarra. Nur eine konnte gelten, ansonsten war sie doch nur ein kleines Mädchen, dass besser in einem Palast aufwachsen sollte wo sie jemand sehr, sehr Nettes Tag und Nacht vor den Ecken und Kanten dieser Welt beschützte.

  5. Beiträge anzeigen #25 Zitieren
    Kämpfer Avatar von Yarik
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
    Yarik ist offline

    Südlicher Sumpf, 2. Tag, Mittag - Chala, Valerion, Yarik

    Liam hatte die Augen zusammengekniffen und musterte Valerion abschätzig – nein, eher verächtlich. Glaen hatte sich hinter dem Anführer des Trupps aufgebaut und die Arme vor der breiten Brust verschränkt, seine Miene steinern. Und selbst Shakes und Eileen warfen dem fluchfreudigen Möchtegern-Wächter wenig schmeichelhafte Blicke zu, von Chala ganz zu schweigen. Nur Yarik schien abgelenkt zu sein, er sah sich immer wieder um, als würde er im Nebel nach etwas suchen.
    „Was bei allen Göttern hast du dir dabei gedacht, hm?“, fragte Liam an Valerion gerichtet. Er wirkte äußerlich ruhig, aber ein drohender Unterton war nicht zu überhören und er trat unangenehm nah an Valerion heran. „Warum hast du keinen Ton von dir gegeben, du verdammter Vollidiot? Verschwindet er einfach mal so mir nichts, dir nichts im Nebel! Du hast nicht nur dich selbst damit in Gefahr gebracht, sondern uns alle! Und nicht nur uns, sondern ganz Tooshoo! Unsere Mission ist verdammt nochmal wichtig, kapierst du das? Wenn der Sumpf ach so schlimm ist und der feine Herr lieber in einem bequemen Sessel vor einem Kamin vor sich hin furzen würde, dann sollte der feine Herr vielleicht drüber nachdenken, was zur Hölle er überhaupt in Tooshoo verloren hat! Wenn es dir hier nicht passt, dann verschwinde! Verpiss dich nach Stewark, nach Thorniara, nach Vengard, Ishtar, was weiß ich, von mir aus nach scheiß Verdistis! Mir ist das völlig egal. Aber entscheid dich! Entweder du bist einer von uns, dann kneifst du verdammt nochmal die Arschbacken zusammen, hörst auf zu meckern wie so ein Waschweib und versuchst zumindest, annähernd so etwas wie Kompetenz zu beweisen, oder du verschwindest und fällst uns nicht länger zur Last! Kapiert?“ Liam seufzte und massierte sich die Nasenwurzel. „So, und jetzt erzählt mir, was passiert ist. Du… Selana, hab ich das richtig in Erinnerung? Was machst du hier? Gehörtest du nicht zu Alfreds Trupp?“
    Die Angesprochene nickte. Sie schaute betreten zu Boden, als hätte Liams Standpauke ihr genauso gegolten wie Valerion, und erklärte schließlich zögerlich, dass ihr Spähtrupp von dem Nebel überrascht worden wäre. Dann hätten auf einmal Ranken sie gepackt und in den Sumpf gezogen, und bevor sie sich hatte befreien können, war Valerion aufgetaucht und hatte ihr, wie sie widerwillig eingestand, ein bisschen geholfen.

    Liam strich sich nachdenklich über das Kinn. „Gut… oder besser, schlecht. Wir wissen nicht, wo Alfreds Trupp ist, und in dieser verfluchten Nebelsuppe haben wir auch keine Chance, ihn zu finden, also kommst du mit uns. Diese verdammte Pflanze scheint ein deutlich hinterhältigerer Gegner zu sein als die alte Vettel mit ihren Zombies. Als wir nach dir gesucht haben, Valerion, wurden wir angegriffen, von… dir? Jeder von uns. Schau nicht so dumm, ich weiß selbst, wie das klingt, und darum geht es ja gerade – dieses Unkraut spielt mit unserer Wahrnehmung, macht uns irre, greift aus dem Hinterhalt an. Ich würde meinen Arsch drauf verwetten, dass der Nebel auch nicht rein natürlichen Ursprungs ist. Um so wichtiger ist, dass wir… zusammenbleiben! Kapiert? Okay, dann weiter. Eileen, Yarik, Chala, wir gehen voran. Valerion, Selana, ihr geht in der Mitte. Glaen, du bildest mit Shakes den Schluss. Alles klar? Dann los jetzt!“
    Niemand rührte sich.
    „In welche Richtung?“, fragte Eileen. Liam schaute sich um, ein Ausdruck der Verwirrung huschte für einen Moment über sein Gesicht.
    „Ich…“, setzte er an. Stockte. Sah sich noch einmal um. „Es war… diese Richtung!“
    Ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte er los.

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    King Kong Avatar von Griffin
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    Zentraler Sumpf, Tempelruine, 2. Tag, Abenddämmerung - Ryu, Griffin

    Seit Minuten bereits suchten Ryu und Griffin mit wachsender Panik die Teile der Ruine ab, in der sie bereits gewesen waren. Keiner der beiden hatte das Verschwinden von Freiya bemerkt. Es war, als sei sie von jetzt auf gleich von der Dunkelheit selbst verschluckt worden. Kein Flügelschlag, kein erschreckter oder erstickter Schrei, keine Schritte, kein einbrechender Fußboden - nichts. Der Rotschopf war von dem einen auf den anderen Augenblick einfach verschwunden. Die beiden Krieger waren die denkbar schlechtesten Ansprechpartner, wenn es um die streng gehüteten Geheimnisse der Druidenmagie ging, aber sie hatten bisweilen zumindest den Hauch von etwas verspüren können, wenn Magie in ihrer Gegenwart gewirkt worden war. Aber im Halbdunkeln dieser von allen Göttern verlassenen Ruine fand sich absolut gar nichts, was auf den Verbleib Freiyas hätte hindeuten können. Weder magisch noch natürlich noch monsterlich.

    »Nichts.« Er schüttelte den Kopf und wandte den Blick zu Ryu, der gerade eine der Ruinen umrundet und dort nach Hinweisen gesucht hatte. Ganz offensichtlich ohne Erfolg. Der ehemalige Hüter spürte, wie erneut das winzige bisschen Hoffnung, das er in seinem Inneren gehegt hatte, starb. Nach jeder Kurve, hinter jeder Ecke und jeder zerfallenen Mauer hoffte er, eine Spur auf die rothaarige Frau finden zu können, aber jedes einzelne Mal wurde er enttäuscht.

    »Das ist alles deine Schuld, du Vollidiot!«, raunte der Hayabusa ihn an. Wütend trat er gegen einen Stein, der leise Klackernd in der Dunkelheit verschwand. Das Orange seiner Augen flackerte auf, als er den Blick zu Griffin wandte. Verwundert blinzelte dieser und sah verdutzt sein Gegenüber an. Es brauchte einige Augenblicke, bis er sich der vollen Tragweite der Worte seines ehemaligen Lehrmeisters gewahr wurde. »Was ich kann ich denn jetzt dafür?«, fragte er sichtlich verdattert. Die Überraschung verlieh seiner Stimme einen deutlich schrofferen Ton und mehr Nachdruck als ihm lieb gewesen war. Er versuchte sich zu beruhigen und hob beschwichtigend die Hände. Der Verlust von Freiya wog schwer und er war sich sicher, dass es für Ryu noch deutlich schwieriger sein musste, Freiya in der Dunkelheit allein und verloren zu wissen. Er atmete tief durch. »Wir werden sie finden.«, sprach er beruhigend und lächelte dem Hauptmann zu. »Freiya ist eine-«
    »Fass mich bloß nicht an!«, spie Ryu ihm förmlich entgegen, als Griffin ihm die Hand auf die Schulter legen wollte. »Und was ist Freiya, hm?« Der Hayabusa funkelte ihn düster an. Zorn flammte in seinen Augen fast so hell wie das, mit dem der Hüter sich den Körper teilte. »Was weißt du schon von Freiya?« Der Schwertmeister zog die Augenbrauen zusammen und musterte Griffin von oben bis unten. Die Art und Weise, wie er das tat, gefiel ihm ganz und gar nicht. »Sag schon, was weißt du über Freiya? Oder über mich? Oder über irgendwen aus dem Waldvolk?« Ryu redete sich in Rage. Griffin wusste, dass die Worte seines ehemaligen Lehrmeisters aus Sorge heraus geboren waren. Er spürte die Verletzlichkeit des Mannes hinter den Worten. Aber das änderte nichts daran, das jedes einzelne Wort eine offene Wunde noch weiter aufriss, die er zu bandagieren nicht imstande gewesen war und stattdessen verborgen hinter einem warmen Lächeln und freundlichen Worten getragen hatte.
    »Ryu, ich weiß, da-«
    »Nichts weißt du.« Der Hayabusa kam Griffin gefährlich nah. »Du warst nicht da. Du weißt gar nichts. Woher sollst du es wissen?« Mit jedem Wort tippte der Hüter Griffin mit dem Zeigefinger auf gegen die Brust. »Du hast dich jahrelang nicht blicken lassen. Das Waldvolk hat die schlimmsten Jahre durchgemacht und du bist einfach weggelaufen.« Mit beiden Händen schubste der Hayabusa seinen Waffenbruder nach hinten. »Wir hätten deine Hilfe brauchen können. Verdammt, ich hätte dich gebraucht.« Wieder schubste Ryu Griffin nach hinten. »Bruder.« Er spuckte aus. »Dass ich dich einmal so genannt habe.« Der Hayabusa hob erneut die Arme und war im Begriff erneut zuzustoßen.
    »Beruhig dich!« Griffin kam ihm zuvor und packte Ryu am Kragen. Die Gesichter der beiden berührten sich fast und er konnte spüren, wie die beiden Bestien im Inneren sich anzufauchen begannen. »Wir werden sie finden, Bruder.«, versprach er dem Hayabusa. Der Griff um die Kleidung lockerte sich und er strich ihm vorsichtig die Kleidung glatt. »Wir werden sie fi-«

    Der Schlag traf Griffin gänzlich unvorbereitet und er taumelte einige Schritte zurück. Mit dem Handrücken rieb er sich über die schmerzende Lippe und als er sie wieder wegzog sah er Blut. Das war keine Ohrfeige und kein einfacher Schlag gewesen. Ryu hatte zugehauen. Ohne jegliche Zurückhaltung.
    »Mach das.« Er zwang sich dazu, die Augen zu schließen und durchzuatmen. »Nicht. Nochmal.«
    Ryu funkelte ihn herausfordernd an.
    »Sonst was, Griffin Er spie den Namen des Braunhaarigen förmlich aus, als sei es ein Fluch, mit dem er sein Gegenüber bedenken wollte. »Hm? Wirst du sonst böse? Was glaubst du denn, was du ausrichten kannst? Du hast die letzten Jahre gesoffen, geraucht und gefressen. Du bist ein widerlicher Schwächling. Nutzlos. Du bist nicht nur der schwächste Ast im Baum, du bist ein widerlicher, wuchernder Pilz. Du befällst alles und jeden um dich herum. Du ruinierst alles, was du anfasst.« Das Herz des ehemaligen Hüters fror ein. In seinem Innersten machte sich ein Gefühl so tiefer und schier endloser Leere breit, das er fürchtete, sich übergeben zu müssen. Seine Sicht verschwamm.
    »Ryu, wa-«
    »Nichts Gutes lässt du zurück. Egal, was du berührst. Nichts!« Wie angewurzelt blieb er auf einer Stelle stehen. Unfähig, sich zu bewegen. Unfähig, etwas zu erwidern.
    »Du machst alles kaputt.«, setzte Ryu nach. »Freiya.« Er kam einen Schritt näher. »Silden.« Der Hauptmann Tooshoos stand jetzt direkt vor ihm. »NaShir.« Griffin war nicht imstande, irgendetwas zu tun, als der Handrücken des Kriegers seine Wange traf. »Ornlu.« Griffin spuckte Blut. »Mich.« Ein weiterer Schlag mit dem Handrücken traf ihn.

    Dann herrschte Stille.
    Er spürte das Pulsieren des Bluts in seinem Gesicht.
    Und er schmeckte den metallenen Lebenssaft auf seinen Lippen.
    Ryu hielt einen weiteren Augenblick lang inne.
    Die Stille war erdrückend.
    Der Braunhaarige wagte es nicht, den Blick zu heben.
    Ryu legte ihm die Hand auf die Schulter.
    Und bohrte seine Finger in das Fleisch des Südländers.

    »Myra.«

    Der Faustschlag in die Magengrube traf Griffin fast so hart wie die Schwere des Namens.

    Er hatte keine Lust mehr, zu versuchen, auf den Beinen zu bleiben, also ließ er sich rücklings auf den kalten Steinboden fallen. Die Dunkelheit umfing ihn und er konnte ob der Tränen in seinen Augen Ryu kaum erkennen.
    Er streckte erschöpft und vollkommen energielos die Arme und die Beine von sich.
    Sein Mund wurde trocken und er spürte selbst im Liegen den leichten Tremor seiner Hände. Was würde er jetzt geben für einen Schluck Alkohol.

    »Verschwinde!«, schrie ihm der Schwertmeister entgegen, der sich rückwärts von ihm entfernte. »Lauf einfach wieder davon. Lass uns alle zurück.«, spie er Worte so scharf wie Dolche. »Aber tu mir den Gefallen und bleib diesmal wenigstens für immer weg.«
    Geändert von Griffin (14.04.2024 um 12:34 Uhr)

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    Abenteurer Avatar von Zarra
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    Westlicher Sumpf, Niradh, 3. Tag, früher Morgen - Zarra, Kiyan Ornlu und seine Jungs

    Mit großen Augen beobachtete sie die verschiedenen Männer, welche sich ihr vorstellten. Sie alle waren so unterschiedlich wie die verschiedenen Farben der Libellen, doch eine Gemeinsamkeit verband sie doch. Bis auf Kiyan hatten sie alle ähnliche Tätowierungen im Gesicht, dunkles Rot, welches ihnen ein gefährliches Aussehen verlieh so wie auch dem Jadewolf. Der Mann namens Kiyan wirkte jedoch auf seine ganz eigene Art furchteinflößend mit seinem verbliebenden Auge und einer dunklen Klappe über dem anderen. Jedem von ihnen stand die Erfahrung im Kampf ins Gesicht geschrieben und von jedem von ihnen spürte Zarra etwas ausgehen, dass sie sich kleiner fühlte, als sie ohnehin war.
    „Bewahret“, antwortete sie, nachdem jeder sich vorgestellt hatte, ihre Stimme belegt, doch lauter als üblich.
    Sie senkte den Kopf als Zeichen der Ehrerbietung und faltete die Hände in ihrem Schoß.

    Ornlu begann schließlich zu erzählen, was nun passieren würde. Sein Vorhaben galt wohl der Jagd eines dieser Monster, von denen Ricklen ihnen am Schrein erzählt hatte. Unwillkürlich löste das Mädchen die verschlungenen Hände und tastete über ihre Schulter an die Stelle, wo die Narbenlibelle ihren Kopf haben musste. Es fühlte sich wie eine leichte Erhebung der Haut an, die glatt und völlig haarlos war.
    Sie versuchte zu folgen, was der Druide seinen Mitstreitern erklärte. Es war ihr zu verdanken, dass sie eine neue Herangehensweise wählen konnten? Was hatte sie denn getan? Sprach der Wolf von ihrer Magie, die er für sie alle nutzen wollte? Sie spürte einen Stich schlechten Gewissens, als er zugab, dass ihre Rettung ihm viel abverlangt hatte, doch sie konnte die Vergangenheit nicht rückgängig machen. Doch was war dieses Ritual, von dem er sprach? Tierseele? Und sie sollte Teil davon sein?
    Müde blinzelte sie langsam, ihre Gedanken waren auch nach mehreren Stunden Schlaf noch träge, als müssten sie durch tiefes Sumpfwasser waten. Erst als sie hörte, dass von ihr erwartet wurde sich allein zum Basislager durchzuschlagen, suchte sie den Blick des Jadewolfs, der sie herausfordernd anstarrte.

    Seit er ihr genommen hatte, was dabei gewesen war Gestalt anzunehmen, fühlte sie sich anders. Wie früher, als sie ohne diesen Bund, von dem Ornlu erzählt hatte, gewesen war. Doch nicht genauso, denn sie war nicht mehr so einsam. All die Männer, die mit ihr ums Feuer saßen schauten sie erwartungsvoll an. Vigo schaute sie aufmunternd an, Iun wartete gespannt und Okam zwinkerte ihr verschmitzt zu. Ein leichtes Lächeln formte sich um ihre Lippen.
    „Ich vertraue dir“, gab sie dem Jadewolf gegenüber preis und meinte es auch so.
    Sie wusste nicht wieso oder seit wann, doch das Gespräch der letzten Nacht und die vorangegangene Rettung verdienten zumindest das als Gegenleistung.
    „Ich weiß nichts über das Ritual, von dem du sprichst, aber ich werde zum Lager zurückkehren, der Krone Tooshoos entgegen“, versprach sie mit fester Stimme.
    Dann überlegte sie für einen Moment, dachte an ihre Großmutter und wie sie reagieren würde, wenn sie allein zurückkehren würde. Sie schauderte.
    „Meine Oma kann sehr beängstigend sein, wenn sie wütend wird", gab sie zu und schauderte erneut.
    „Erwecke nie den Zorn einer sanftmütigen Frau", meldete sich Okam wissend zu Wort.
    Doch ich stelle mich dem Sturm und versuche sie zu beschwichtigen, ehe ihr alle von eurer Jagd zurückkehrt", bekräftigte Zarra ihr Vorhaben und legte sich die rechte Hand auf die Brust.

    Wieder verlor sie mehr Worte gegenüber diesen Leuten, als früher in einer ganzen Woche. Was geschah mit ihr? Und noch wichtiger, was würde geschehen, wenn der Jadewolf das Ritual ausführte? Sie hatte Angst davor, denn das letzte Ritual, welches sie durchlaufen musste, hatte sie mit einer Narbe fürs Leben gezeichnet.

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    Westlicher Sumpf, Niradh, 3. Tag, früher Morgen - Zarra, Kiyan Ornlu und seine Jungs

    Und so war es beschlossen. Gut für Zarra und ihren weiteren Lebensweg.
    Alle stärkten sich noch einmal mit Essen, dass die Vier mitgebracht hatten und dann bat Ornlu die Auserwählten sich bereit zu machen. Die Waldläufer kannten den Ritus schon und machten ihre Ärmel frei. Ornlu indes hatte seinen Jagddolch gesäubert und im Feuer noch einmal erhitzt, damit er ‘rein’ war.
    Er selbst machte auch einen Arm frei und offenbarte so, so manche kleine Narbe. Dann holte er ein Stück Holzkohle hervor und malte ein schwer zu deutendes, rundes Symbol auf den steinernen Boden.
    Vigo holte danach einen zusammengerollten Wolfspelz hervor und legte diesen aus, bevor Ornlu gebot, sich rund um diesen zu stellen und davor zu knien.
    Er schwieg und sammelte sich und das sollten auch die Anderen. Magie des Druiden strömte sehr stark auf und umgab ihn mit einer mächtigen Aura die das Innere vom ganze Felsennest beherrschte.
    “Beginnen wir.”, sagte er mit Augen so glühend wie Kohle im Feuer und legte den Dolch an seine Haut an. Ein kleiner Schnitt und sein Blut floss vom Unterarm in seine Hand, die er dann auf den Pelz legte.
    Selbiges machte ein jeder und eine jede, während der Dolch herum gereicht wurde und wieder zu Ornlu zurückkam. Es gab kein zögern und das durfte es auch nicht.
    “Der Geist des Wolfes wird in euch erwachen. Fürchtet ihn nicht, sondern empfangt den Segen und nutzt die neue Kraft solange sie in euch weilt.", sagte er kurz und knapp und sprach dann das eine Wort mit dem er zugleich fast all seine vorhandene Magie in den Wolfspelz entfesselte.
    “ECHUIO!”, donnerte es von Magie verzerrt. Durch die Magie glühte das aufgemalte Symbol unter dem Wolfspelz auf. Es übertrug sich auf den Pelz und im nächsten Moment erhob sich daraus eine schemenhaft Gestalt, die mehr und mehr Form gewann. Ein geisterhafter Wolf erhob sich, schüttelte sich und heulte dann auf, als wolle er seine einstige Welt begrüßen.
    Der Druide sprach dann in der alten Druidensprache etwas, was niemand verstand und sehr selten so ausgesprochen wurde.
    Der Wolf jaulte und knurrte und gleichzeitig teilte er sich auf alle vier Empfänger auf. Die erschraken für einen Moment, aber es war schon vollbracht. In alle Vier war die Seele des Wolfes eingegangen und der Wolfspelz durch den Ritus völlig zerstört. Die Magie versiegte dann und das Ritual war vollbracht.
    “Jagen wir, meine Brüder!”, beschwor er sein Jagdkommando und nickte Zarra zu. Es ging los.

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    Waldläufer Avatar von Valerion
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    Südlicher Sumpf, 2. Tag, Mittag - Chala, Valerion, Yarik

    Was auch immer hier passiert war, die Standpauke von Liam war ziemlich unangenehm und Selana hatte sich auch nicht sonderbar gut gefühlt und Valerion vermied es jetzt, irgendeinen bissigen Kommentar zu geben. Teilweise hatte Liam ja recht, aber Valerion hatte sich eigentlich schon an den Sumpf gewöhnt, immerhin an die Leute und die Gemeinschaft. Der Sumpf selber war noch eine Sache für sich, an die er sich gewöhnen musste, aber er war sich sicher, dass er das schaffen würde. Auch wenn es noch einige zeit dauern würde.

    Also schlichen sie nun im Nebel umher, Valerion versuchte, gut aufzupassen, dadurch das ihre Wahrnehmung getrübt werden konnte, mussten sie acht geben. Die anderen hatten also ihn gesehen, wie er sie alle angegriffen hatte. Valerion fragte sich, welches Zeichen dies zu bedeuten hatte aber Valerion wollte auch nicht irgendwelche anderen sehen, die ihn angriffen. Was auch immer hier vor sich ging, der Kerl würde es sicherlich schaffen, zu überleben. Auf jedenfall hatte er das vor. Der Nebel war immer noch recht dicht, der Bärtige eilte schnell seinem Vordermann hinterher, er hielt Selanas hand, damit sie nicht verloren gehen konnte. Ob sie ihren ehemaligen Trupp finden würden.

    Ab und zu vernahm Valerion ein Rascheln aus den Büschen. Ob irgendwo diese beknackte Pflanze war und sie verfolgte? Er grummelte kurz und würde es dieser Pflanze schon zeigen, wenn es sein musste. Kurz vernahm er das Zerbrechen eines Astes, er meinte irgendwas im Dickicht huschen gesehen zu haben, aber er wusste nicht, was es war. Eine Pflanze oder ein Tier? Es war schwer zu sagen, bei diesem Nebel. Plötzlich blieben die Vordermänner stehen. Anscheinend hatten auch die irgendwas gesehen und nun galt es sich darauf vorzubereiten.

    So standen sie alle rücken an Rücken in einer Kreisformation und beobachteten den dicken Nebel, im ganzen Sumpf vernahm man Geräusche, rascheln sowie brechende Äste, doch man konnte nichts sehen.
    „AUTSCH“, schrie Glaen auf, dem anscheinend eine peitschende Ranke ins Gesicht geschlagen hatte.
    „Passt auf, es greift ohne muster an, jeder könnte der nächste sein“; sprach der Axtträger und alle konzentrierten sich auf den Nebel.

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    Basislager

    Wie spendete man jemandem Trost, dem etwas genommen wurde, woran sein Herz hing? Eine uralte Frage, auf die es keine befriedigende Antwort gab. Und so beschränkte sich auch Maris darauf, Frank etwas Beistand zu schenken und ihm zu zeigen, dass er in seiner Trauer nicht allein war.
    „Aber wie soll ich dir denn mit diesem lumpigen kleinen Ding helfen, wenn wieder so ein Monster aufkreuzt?“, klagte der kräftige Riese mit dem weichen Kern. „Maris, wer macht denn so was?“
    „Ich weiß es nicht, mein Freund. Aber ich bin mir sicher, dass du auch mit diesem Bogen eine hervorragende Hilfe im Kampf sein wirst. Und lass Ronja das mit dem lumpigen Bogen nicht hören – sie stutzt dich sonst auf ihre Größe zurecht. Außerdem macht sie ganz gute Bögen, glaub ich.“
    „Aber nicht so einen, wie ich ihn hatte!“, rief Frank und brach in einen neuerlichen Schwall von Tränen aus. „Für den hatte sogar meine Mama Gold zusammengelegt. ‚Zeig allen, wie besonders du bist, mit diesem besonderen Bogen, Fränkchen‘, hatte sie gesagt. Und jetzt ist er weg!“
    Fürwahr, daran war wohl nichts zu rütteln. Das war schon eine seltsame Geschichte: mitten im Kampf gegen die Vettel war plötzlich ein schlammüberzogener, irrer Schatten mit leuchtenden Augen aufgetaucht und hatte dem hünenhaften Schützen die Waffe aus den Händen gerissen. Und nun hatte Frank, ohnehin schon ein Sensibelchen vor dem Herrn Adanos, nicht nur seinen Bogen eingebüßt, sondern auch noch das letzte Bisschen seiner Entschlossenheit. Da traf es sich, dass sie am zweiten Tag nur Unterstützungsaufgaben im Lager übernahmen. So konnten sie sich erholen und all die körperlichen und seelischen Wunden zumindest notdürftig versorgt werden, damit sie am Folgetag noch einmal auf die ihnen ursprünglich angedachte Route gehen konnten. Das galt auch für Maris selbst, denn der Kampf gegen die Vettel hatte seine Reserven ziemlich angekratzt. Den Giftblick gegen einen so willensstarken Gegner einzusetzen, war eine erstaunliche Erfahrung gewesen, aus der er viel für kommende Anwendungen ziehen können würde. Doch die Auseinandersetzung war zehrend gewesen, sehr zehrend. Es wäre töricht gewesen, sich sofort wieder hinaus zu wagen, auch wenn ein Angriff von Harpyien auf das Basislager viele in Alarmbereitschaft versetzt hatte und einige sich Hals über Kopf in die Sümpfe gestürzt hatten, um ein Mädchen zu finden, das von den Vogelfrauen entführt worden war.
    „Lass die Trauer raus, Frank“, sagte Maris schließlich. „Es ist völlig in Ordnung, zu trauern, wenn man etwas so Liebgewonnenes verliert. Und sobald du dich bereit fühlst, geh auf den Schießstand und schieß dich mit der Ersatzwaffe ein, ja? Nach der wilden Jagd schauen wir, ob wir einen richtigen Ersatz für dich finden können, Kumpel.“
    Frank mühte sich zu einem Lächeln. „In Ordnung. Danke, Maris.“

    Er lief an Sana vorbei, ohne ihr mehr als einen Seitenblick zu schenken, und sie tat es ihm gleich. In der Schlacht war auf sie kein Verlass, ganz wie er es befürchtet hatte, doch als Spurenleserin war sie unverzichtbar für die Gruppe gewesen. Maris fragte sich, was im Kopf dieser Frau vorging. Sie verhielt sich wie eine gemarterte Straßenkatze, die sich aus steter Sorge vor Misshandlung instinktiv von allem fernhielt, was auch nur die geringste Möglichkeit ausstrahlte, ihr schaden zu können.
    Maris ging weiter, bis er bei Seamus und Runa ankam, und setzte sich zu ihnen ans Feuer, das sie am Rande einer hoch errichteten Zeltplane entzündet hatten, gerade so weit vom prasselnden Regen entfernt, dass es nicht gelöscht wurde.
    „Ziemliches Mistwetter, hmm?“
    „Du stinkst trotzdem noch genauso schlimm wie der Oger, mit dem wir gekämpft haben“, entgegnete Seamus mit einem Grinsen. Maris seufzte.
    „Ich weiß. Dieser faulige Brackwasser-Geruch geht nicht so einfach raus, fürchte ich. Aber wen wundert’s? Die Alte hat darin ja ihre ganze verrottete Familie wohnen lassen.“
    „Paps, bitte verbrenn den Fummel und lass dir was anderes geben, ja?“, näselte Runa, die sich die Nase mit zwei Fingern hielt, um dem Geruch zu trotzen.
    „Aber das ist meine Wüstenkluft!“, insistierte er empört. „Die kann ich doch nicht-“
    „Lass dir einen neuen Satz geben, wenn du das nächste Mal in Al Shedim aufschlägst“, rief sie. „Du wirst doch bestimmt bald wieder aufbrechen, wenn das hier vorbei ist, oder?“
    Maris hielt inne. Dann hob er die Schultern. „Liegt im Bereich des Möglichen. Aber vorher hab ich hier noch was zu tun. Wenn mir nur nicht ständig was anderes dazwischen kommen würde…“
    „Immer diese lästigen Ausgeburten Beliars an jeder zweiten Ecke, hmm?“, brummte Seamus grinsend. Runa kicherte.
    „Da sagst du was. Ach übrigens“, Maris sah Runa in die Augen und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du hast dich gut geschlagen da draußen gestern. Ich bin stolz auf dich.“
    Runa zog die Stirn in Falten. „Aber ich hab doch gar nicht gekämpft!“
    „Und das war genau das, was du machen solltest. Ich konnte mich auf dich verlassen, und das zählt. Nicht jeder muss sich in den Kampf stürzen, wenn es eng wird. Und für mich ist wichtig, dass du deine Aufgabe ernst genommen hast und meinen Anweisungen gefolgt bist. Morgen nochmal so?“
    Seine Tochter nickte knapp. „Klar.“
    „Sehr gut. Und jetzt, wo du den ganzen Spaß mitsamt ungeplantem Kampf gegen eine Ausgeburt des Bösen und ihre untoten Freunde einmal durchgemacht hast, weißt du ein wenig besser, was du für morgen brauchst. Bereite dich entsprechend vor, ja?“
    „Geht klar!“
    „Gut. Und bleib in der Nähe von Seamus oder mir, ja? Falls hier nochmal so eine Rotte Harpyien einfällt, will dich, dass jemand bei dir ist. Die Viecher schienen es ja auf junge Frauen abgesehen zu haben.“
    Er packte seine Kluft am Revers, schnüffelte daran und verzog das Gesicht.
    „Na gut, überredet. Ich werd mir was Anderes suchen. Aber verbrannt wird die hier nicht, und wenn sie vor Dreck und Verwestem stehen sollte, klar? Eher bauen wir eine Harpyien-Scheuche daraus.“
    Geändert von Maris (16.04.2024 um 15:01 Uhr)

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    Abenteurer Avatar von Zarra
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    Westlicher Sumpf, Niradh, 3. Tag, früher Morgen - Zarra, Kiyan Ornlu und seine Jungs

    Aufgeregt, doch ihre Furcht erfolgreich unterdrückend, hatte Zarra es den anderen gleichgetan und ihren Unterarm offengelegt. Sie hatte die Leinenbinden abgelegt und gebannt zugeschaut, wie Ornlu sich das eigene Fleisch aufschnitt, sein Blut dem Ritual opferte. Sie spürte einen ungewöhnlichen, fast greifbaren Druck, der auf ihr lastete. Das Innere des Felsennestes schien sich zu verengen, die Luft zum Atmen wurde immer schwerer.
    Das Messer wurde weitergereicht, einer nach dem anderen wiederholte den Schnitt am eigenen Unterarm, wie der Jadewolf es vorgemacht hatte. Als es schließlich in die Hand des Mädchens gelangte, fürchtete sie zu zittern, doch sie war ruhig, so als würde der Druck ihr Halt geben. Sie setzte die Spitze an ihren entblößten Unterarm, an dem sich Rötungen zeigten, deren Ursprung nicht ersichtlich waren. Das geschärfte Eisen biss in ihr Fleisch und fügte auch ihr Blut denen der anderen hinzu, ehe sie die Klinge weiterreichte. Kein Keuchen oder Zischen hatte sie hören lassen, als sie sich selbst verletzt hatte. Es war, als wüsste sie, dass jegliches Zeichen der Schwäche fatal enden könnte.

    Nachdem jeder seinen Tribut gezollt hatte, leuchteten die Augen des Druiden auf, ein gefährliches, heißes Glühen schien selbst das Licht des Feuers zu überstrahlen, ehe er letzte Anweisungen gab.
    „Der Geist des Wolfes wird in euch erwachen. Fürchtet ihn nicht, sondern empfangt den Segen und nutzt die neue Kraft, solange sie in euch weilt.“
    Niemand nickte oder antwortete, doch das war auch nicht nötig, denn sie verstanden.
    „ECHUIO!“, zerriss der Ausruf der Macht die Decke aus Magie, welche sich über den viel zu kleinen Raum gelegt hatte.
    Der Druck ließ merklich nach und ein Sog hätte Zarra beinahe näher an den Wolfspelz gezogen, wenn sie nicht standgehalten hätte. Unwillkürlich brach das Gefühl ab und wurde ersetzt durch einen Ruck, der sie durchfuhr, ehe aus der dargebotenen, blutverschmierten Opfergabe ein geisterhafter Wolf emporstieg, der mehr und mehr Form annahm, Details bildeten sich, während ein schwaches Leuchten immerzu von der Gestalt auszugehen schien, welche ein überraschend lautes, durchdringendes Heulen ausstieß, dass in den Eingeweiden Niradhs echote. Das vergossene Blut glühte wie die Augen des Druiden, doch niemand bemerkte es, da der Wolf die Aufmerksamkeit verlangte.

    Ornlu sprach einige Worte, die das Mädchen noch nie gehört hatte, eine Sprache, die sie nicht kannte. Entfernt in ihrer Erinnerung glaubte sie sich an ein Lied zu erinnern, welches vielleicht ebenfalls in dieser Sprache gewesen war, doch der Gedanke war genauso schnell wieder fort, wie er gekommen war, vertrieben von dem durchdringenden Blick des Wolfgeistes, der sie anzuknurren schien. Mit einem Satz sprang er auf sie zu, drang in ihren Körper ein. Sie riss schützend die Hände empor, doch es hatte keinen Zweck. Ein erschrockenes Keuchen entfuhr ihr schlussendlich doch und sie fiel nach hinten, verrenkte ihre Beine so, dass sie nicht zu Boden stürzte, sondern auf dem Hintern landete. Hinter ihren weit aufgerissenen Augen schienen sich zwei Schatten zu jagen. Sie rang nach Luft wie eine Ertrinkende, die nach langem Kampf die Wasseroberfläche durchstoßen hatte.

    Für den Bruchteil einer Sekunde flammte das Gefühl von tausenden Käfern auf, die sich über und unter ihrer Haut tummelten, sodass sie sich winden wollte. Ihre Sicht verschwamm, spaltete sich, nur um sich sofort wieder zu normalisieren. Ein bedrohliches Surren ließ ihren Körper vibrieren doch ein grollendes Knurren in ihrem Innersten, begehrte dagegen auf und Zarra bemerkte, wie die Macht des Geisterwolfes füllte, was Ornlu ihr die Nacht zuvor genommen hatte. Ihre Narbe pulsierte im Einklang mit ihrem viel zu schnell pochenden Herz, ehe das Leuchten wieder erlosch und ihr Körper akzeptierte, was geschehen war.

    Sie roch den Schweiß der Männer neben sich, nahm einen schwachen Geruch der Angst wahr. Die Weißhaarige zuckte zusammen, als sich Iun hinter ihnen bewegte, jeder Schritt ein Hammerschlag in ihrem Ohr. Sie zog den Kopf ein und wandte sich nach ihm um, zeigte ihre Zähne, um ihm verständlich zu machen, dass er sich nicht hinter ihr herumtreiben sollte. Ihre Nackenhaare stellten sich auf und ein leises Knurren bildete sich tief in ihrer Kehle. Sie wurde sich ihrer Position gewahr, wie ein Welpe, der auf sein Hinterteil gefallen war. Eilig ließ sie sich zur Seite fallen und nahm eine sitzende Haltung ein, die Hinterbeine leicht gespreizt, während ihre Vorderläufe vor ihr den Boden berührten. Ihr Ohr zuckte nervös, als sie auf weitere Geräusche wartete.
    Vor sich auf dem Boden entdeckte sie das zerfetzte Wolfsfell, welches genau an jenen Stellen gerissen war, an denen die Blutspritzer hafteten. Sie nahm keinen Geruch wahr, der dem Pelz anheftete, fast so, als würde er nicht mehr existieren.
    „Jagen wir, meine Brüder“, erklang die Stimme des Jadewolfs und er schaute sein Rudel einen nach dem andern an.
    Zuletzt traf er auf den Blick der weißen Wölfin, die ihn musterte. In seinen Augen erkannte sie die Autorität des Alphas, die ihr ein unterwürfiges Jaulen entlockte. Er nickte ihr zu und sie verstand.

    Langsam erhob sie sich aus der animalischen Sitzhaltung, verstand mit jedem verstreichenden Moment mehr, dass sie nicht war, was ihr Körper anzunehmen schien. Sie schaute auf ihre Hände und Arme, einer verbunden, der andere von einer kleinen Schnittverletzung gezeichnet. Sie hatte behaarte Tatzen und Beine erwartet, keine menschlichen Gliedmaßen. Die Erkenntnis, dass eine urtümliche Kraft in sie eingedrungen war, deren Instinkte sie zu überwältigen drohten, stieg in ihr auf. Der Wolfsgeist verlieh ihr Kraft, die Fähigkeit zu tun, was ihr aufgetragen wurde.
    Gemeinsam verließen sie die schützenden Mauern Niradhs, folgten dem geheimen Pfad aus dem Felsennest hinaus in das Umland von Tooshoo. Der Morgen hatte sich über das Land mit seinen weiten Bruchwäldern und modrigen Sümpfen gelegt. Die Luft roch frisch und klar, doch ein leichter Hauch von etwas anderem drang ihr in die feine Nase. Der Geruch des Todes, oder genauer noch, die Absicht des Tötens. Zarra konnte nicht sagen, woher sie es wusste, doch sie war sich so sicher, wie noch nie in ihrem Leben zuvor. Die Wilde Jagd hatte ihr Ende noch längst nicht erreicht.

    Noch einmal blickte sie zum Druiden, der sein Rudel um sich geschart hatte, wartete auf ein Zeichen, dass sie loslaufen sollte. Kiyan, Okam und Vigo wirkten so rastlos, wie die Weißfellige sich in diesem Moment fühlte. Ihre Augen suchten aufmerksam die Umgebung ab, ihre Nasenflügel weiteten sich unablässig, als würden sie nach Gefahr in der Luft schnüffeln. Iun blieb unverändert in seinem Verhalten, doch machte ebenfalls den Eindruck bereit zu sein für das, was sie erwarten würde.
    Ornlu gab kein weiteres Zeichen, das Nicken zuvor war bereits ihre Anweisung gewesen. Das verstand sie, als er sich ihr nicht mehr zuwandte, den Fokus auf die bevorstehende Jagd gerichtet. Wie gern sie in diesem Moment mit ihnen gehen würde, ihre Beute hetzen, bis sie schließlich Zähne und Klauen versenken konnte.
    Du bist kein Wolf, zwang sie die Erinnerung in ihr Bewusstsein und hielt sich die allzu menschlichen Hände vor die Augen.
    Sie scharte unruhig mit ihrem Stiefel im Unterholz, stellte sich vor, wie Krallen durch die weiche Erde schabten, bevor sie sich abwendete. Sie würde sich Richtung Osten halten, gen Tooshoo, auch wenn dessen Krone zwischen dem dichten Blätterdach im Moment nicht sichtbar war.

    Sie holte tief Luft und setzte sich in Bewegung, unterdrückte ein Jaulen, welches ihr im Hals stecken blieb. Ihre Beine wirkten viel kräftiger als sie es sonst taten. Selbst durch ihre Lederstiefel spürte sie jede Unebenheit im Boden, glich sie instinktiv aus und schlängelte sich dicht an den Stämmen der alten Bäume entlang. Sie hielt ihr Tempo mit einem geschnürten Trab, ließ immer wieder den Blick wandern, schaute jeder kleinen Bewegung hinterher, die sie ausmachte. Mehr als einmal änderte sie die Richtung, wenn sie Vögel in eine gewisse Richtung fliegen sah. Doch mehr noch verließ sie sich auf ihren Geruch und ihr Gehör. Ihr Atem ging schneller, wann immer sie den Geruch eines anderen Raubtiers wahrnahm. Zarra würde ihnen aus den Weg gehen, denn ohne Rudel rieten ihre Instinkte von einer Konfrontation ab.

    Ein weit entferntes Knurren ließ sie aufhorchen. Sie hielt inne, bewegte keinen Muskel und konzentrierte sich. Eine Weile dauerte es, doch dann hörte sie erneut dieses Knurren. Es klang ganz so, als wären einige Snapper ihr auf der Fährte. Sie konnte die Echsen nicht riechen, da der Wind ihnen entgegenwehte. Dadurch hatten sie wohl ihre Spur aufgenommen.
    Wieder bildete sich ein tiefes Knurren in ihrer Kehle und sie hatte Schwierigkeiten den eigenen Jagdtrieb auszublenden. Sie musste weiter, das Basislager konnte nicht mehr allzu fern sein. Schon mehrere Male hatte sie Tooshoo durch das Blätterdach gesehen. Jetzt galt es nur noch ihren Verfolgern zu entgehen.
    Sie rannte los, die Zeit für einen energiesparenden Trab war vorüber. Einem wölfischen Galopp so ähnlich wie ihre zwei Beine es zuließen, preschte sie durch das Unterholz, darauf hoffend, dass der Wind sich bald drehen würde. Sie war versucht auch ihre Vorderläufe – Arme und Hände!, ermahnte sie sich selbst – zu benutzen, um schneller voran zu kommen, doch das war ein Instinkt, den sie ignorieren musste.

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    Südöstlicher Sumpf, 2. Tag, Abend - Chala, Valerion, Yarik

    „Das war die Letzte!“, rief Eileen, die soeben ein Haumesser aus dem Boden zog, zwei Teile einer Ranke daneben.
    „Gut, Verletzte?“, fragte Liam und trat in die Mitte seines Jagdkommandos, welches sich um ihn scharte.
    Der Nebel verbarg noch immer die Sicht und so waren Mimik und Gestik nur schemenhaft wahrnehmbar.
    „Paar blaue Flecken“, meldete sich Shakes.
    „Gesicht und Beine haben sie erwischt, aber ich kann weiter“, hielt Glaen sich wacker.
    „Rücken“, gab Chala zu, die ihr Gesicht zu einer Grimasse verzogen hatte.
    Die dicke Liane hatte sie dort getroffen, wo der Zombie am Vortag bereits zugeschlagen hatte. Ihre Wirbelsäule schmerzte merklich und sie war nicht in der Lage sich so frei zu bewegen, wie sie es gewohnt war. Das Leder quietschte etwas, als sie ihren Oberkörper nach links und rechts drehte, was ein Stechen durch ihren Rücken jagte.
    „Es ist noch zu früh für eine Rast und ich würde lieber aus dem Nebel raus, bevor wir Halt machen“, gestand Liam, „Schaffst du es noch eine Weile?“
    „Kein Problem“, bestätigte die Kriegerin, welche schon schlimmeres durchstanden hatte.
    „Dann weiter“, kam der Befehl zum Aufbruch prompt und sie nahmen ihre erprobte Reihenfolge ein.

    Yarik hatte ihr noch immer nicht auf die letzte Frage geantwortet, doch so wie es schien, vermied er es mit ihr Augenkontakt herzustellen. Allerdings konnte sie es sich auch einbilden, da der Nebel nicht grade zuträglich war, wenn es darum ging Details zu erkennen.
    Wildkatze behielt die Aranisaani seit dem Zusammentreffen mit den Nebel-Valerions stets zu ihrer Rechten. Ihr war nicht wohl dabei, wie hinterhältig der Sumpf hier im Süden war. Damals, als sie auf der Suche nach Dennik zum Strandlager des Waldvolks gewandert war, hatte sie ebenfalls diesen Teil durchqueren müssen, doch es war bei weitem weniger gefährlich gewesen. Die Katastrophe von damals hatte nachhaltige Veränderungen mit sich gebracht, was die Echsenmenschen und den Drachen in puncto Gefahr bereits sehr nahekam.

    Die Zeit schien still zu stehen, während sie ihrer Aufklärungsmission nachgingen. So wie Chala es sich vorgestellt hatte, verlief diese Jagd ganz und gar nicht. Als Vorauskommando hätten sie ihrer Meinung nach längst kehrt machen sollen. Sie wussten, dass dieser Nebel etwas mit ihren Sinnen anstellte und die angriffslustigen Ranken hatten sich zunehmend zahlreicher gezeigt. Es war offensichtlich, dass sie sich dem scheiß Gemüse annäherten. Doch wenn sie ehrlich war, konnte sie nicht sagen, in welcher Richtung das Basislager lag. Der Himmel war nicht zu sehen und selbst wenn wäre er von einer dicken Wolkendecke verhangen. Dass sie noch nicht von Regen durchnässt wurden, wunderte sie dabei sehr. War die sich anbahnende Wetterfront vom Morgen wohl weitergezogen, um sich an den Hängen des Weißaugengebirges zu entladen? Sie hoffte es sehr, war sie nicht erpicht darauf wie eine nasse Katze durch den Sumpf zu tapsen.

    Gefühlte Stunden waren bereits vergangen, niemand sprach, sie alle waren angespannt, schreckten bei jedem Geräusch auf, doch meist war es nur eine Kröte oder ein brechender Ast des Vordermanns.
    So kann es nicht weitergehen, dachte die Dunkelhäutige und wollte es bereits ansprechen, als Liams gedämpfte Stimme durch den Nebel schnitt.
    „Wir sind in der Nähe des Affenkopfes. Lasst uns dort eine Weile ausruhen!“
    „Endlich…“, hörte sie Glaen hinter sich keuchen, dessen Stimme von Erschöpfung triefte.
    Der Affenkopf stellte sich als ein Fels heraus, den sie Erklimmen konnten. Wenn sie sich recht erinnerte, sollte er laut Ricklen weit im Osten liegen. Waren sie etwa so weit von ihrer eigentlichen Route abgekommen?

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    Südöstlicher Sumpf, 2. Tag, Abend - Chala, Valerion, Yarik

    „Ich dachte, wir würden abends im Lager rasten und nicht mitten im Sumpf?“, fragte Selana leise und schlang die Arme um den Körper.
    „Unser Auftrag ist, diese Höllenpflanze zu finden“, erklärte Liam, „Und bisher haben wir sie nicht gefunden. Also bleiben wir hier und brechen morgen beim ersten Sonnenschein wieder auf.“
    Niemand widersprach ihm, obwohl sie alle wussten, dass das nicht der Grund war. Sie hatten sich ganz einfach verlaufen – hoffnungslos verirrt. Es war reines Glück, dass sie auf den Affenkopf gestoßen waren, eine Felsformation, die ab und zu von Waldläufern als Lagerplatz benutzt wurde und daher mit einem kleinen Vorrat an trockenem Feuerholz, Zunder und sogar ein paar Kochutensilien ausgestattet war. Glück, das ihnen aber auch gezeigt hatte, wie weit sie von ihrer eigentlich vorgesehenen Route abgekommen waren. Selbst wenn der Nebel sich lüften würde – und er machte keinerlei Anstalten, dies zu tun – und sie direkt den Rückweg antraten, würden sie erst lange nach Mitternacht wieder das Lager erreichen. So blieb ihnen schlicht nichts anderes übrig, als die Nacht im Sumpf zu verbringen.
    Entsprechend gedrückt war die Stimmung. Die kleine Gruppe hatte sich eng um das Lagerfeuer geschart. Jeder von ihnen hatte seine Waffe griffbereit neben sich liegen und warf immer wieder unwillkürlich einen Blick über die Schulter. Dabei war die Wanderung nach dem letzten Zusammenstoß mit einigen kleineren Ablegern der Höllenpflanze ruhig verlaufen.
    Aber es konnte eben auch zu ruhig sein – so wie jetzt. Praktisch kein Geräusch war zu hören. Kein Vogelgesang, kein Fröschequaken – nichts. Es war absolut still, eine Stille, die in Kombination mit dem dichten Nebel erstickend wirkte. Als wären sie unter einem Leichentuch gefangen, das ihnen langsam, aber sicher die Luft zum Atmen abschnürte.

    „Danke“, sagte Yarik, als Liam ihm eine Kelle des wässrigen Eintopfs in seine Schale kippte. In dem verbeulten Topf, den sie in dem kleinen Vorratslager unter einem Felsvorsprung gefunden hatten, köchelte eine Brühe aus den spärlichen Zutaten vor sich hin, die sie hatten zusammenkratzen können – Dörrfleisch aus ihren Rationen, ein paar Wurzeln, Pilze und Kräuter. Nicht gerade ein schmackhaftes Mahl, aber es war heiß, und das war ihnen allen sehr willkommen. Der verfluchte Nebel schien in die Kleidung zu kriechen und sie auf Dauer schlimmer zu durchnässen als ein Regenschauer.
    Yarik merkte, dass Chala ihm einen Blick zuwarf. Mal wieder. Sie wartete wohl noch immer auf eine Antwort auf die Frage, die sie ihm vor Stunden gestellt hatte. Er hatte zunächst geglaubt, dass sie einfach nur neugierig war – aus welchen Gründen auch immer – aber so, wie sie ihn seither beinahe belauerte, steckte vielleicht doch mehr dahinter.
    Diesmal erwiderte er ihren Blick kurz und erhob sich dann. Niemand, nicht einmal Liam, sagte etwas, als er sich ein Stück vom Lagerfeuer entfernte und auf einem Felsen am Rande ihres Rastplatzes niederließ, wo er scheinbar gedankenverloren in den Nebel spähte, während er seinen Eintopf löffelte.
    Die Schatten bewegten sich. Schon die ganze Zeit, immer knapp Außerhalb seines Sichtbereichs. Sie blieben bei ihm, und ihr Flüstern hörte er als ein stetes Hintergrundmurmeln, auch wenn es nur selten verständlich war.

    Es dauerte nicht lange, bis Chala sich zu ihm gesellte. Yarik ließ seine Schüssel in den Schoß sinken und nickte ihr kurz zu, wandte dann aber wieder den Blick ab.
    „Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen“, erklärte er, ohne sie anzusehen, „Warum interessiert es dich?“
    Geändert von Yarik (17.04.2024 um 10:23 Uhr)

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    General Avatar von Ryu Hayabusa
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    Zentraler Sumpf, Tempelruine, ?. Tag, ??? - Ryu, ???

    Absolute Stille herrschte in dem alten Gemäuer. Lediglich das leise herabrieseln einiger kleiner Steine und des Staubes in einigen Ecken unterbrach jene Stille. Selbst das kaum wahrnehmbare, sonst so charakteristische und subtile Dröhnen solcher Gemäuer schien weit entfernt. Es ging kein Wind. Kein Lufthauch. Kein Zeichen von Leben. Keine Spur von Unleben. Stille. Unendliche. Betäubende. Stille. An sich etwas so seltenes, dass Ryu sie genossen hätte... Wäre ihnen Freiya nicht abhanden gekommen. Aber hier... An diesem Ort und unter diesen Umständen war von Genuss keine Rede. Die beiden Hüter waren nun schon eine Weile durch die Ruinen geirrt, auf der Suche nach ihrer rothaarigen Begleiterin. Beide mit wachsender Sorge. Doch ohne Spur... Ohne Note von ihr die in der Luft hing war es vergebens, durch dieses Labyrinth zu eilen und die eigenen Kräfte aufzuzehren. Nach einigem hin und her hatten sie dann beschlossen, einen Moment der Ruhe zu finden. Sie waren sich einig, hier nichts zu spüren oder mit ihren Sinnen zu ertasten. Vielleicht, weil sie zu sehr in Eile waren. Vielleicht auch der Erschöpfung wegen. "Also gut, ich hoffe das klappt!", gab Griffin zu verstehen, während Ryu sich auf die übliche Art und Weise abkniete und die Augen schloss. "Halt mir einfach den Rücken frei...", entgegnete der Templer dann und begann damit, seinen Geist von allen Gedanken zu befreien. Der Plan war gewesen, sich völlig auf die Umgebung zu konzentrieren und den eigenen Geist zu öffnen. Den Sinnen freien Lauf zu lassen um auch nur die kleinste Spur von irgendetwas wahrzunehmen. Und so geschah es auch: Jene Stille die sie umgab machte sich auch bald im ganzen Wesen des Hayabusa breit.

    Er lauschte, doch niemand rief. Er roch, doch war dort keine noch so kleine Note. Er fühlte, doch stellte sich kein Härchen in seinem Nacken. Er schmeckte, doch war es nur der sachte umhertanzende Staub, gemisch mit modriger, abgestandener Luft des Sumpfes den er wahr nahm. Selbst die vorsichtigen Schritte seines Begleiters drifteten irgendwann in die Ferne ab. Wurden von der Stille verschlungen und... Dann waren sie fort. Hatten ihn die Kämpfe der letzten Tage wirklich so sehr ausgezehrt, dass seine Sinne ihm einen Streich spielten? Nein, auf sie war immer Verlass gewesen! Immerhin waren sie bereits ausgeruht und mit vollem Magen los gezogen um Zarra zu retten. So eine Rast hatte für gewöhnlich ihren Dienst getan und ihm die nötige Stärke verliehen, weiter zu machen. Und doch...

    "Bitte... Ryu..."

    Eine Stimme, weit entfernt drang aus den Gewölben an die Ohren des Hüters heran. Mit einem mal öffnete er die Augen und sprang auf. "Ich hab' wa... Griffin? Scheiße, das is' nich' witzig!". Der bullige Südländer war nirgendwo zu sehen. Weder links, noch rechts. Weder vor, noch hinter ihm. Auch hing er nicht an einer abgebrochenen Deckensäule oder dergleichen. Hatte ihn etwa dieselbe Spur fort gezogen? Aber warum seinen Waffenbruder dann zurück lassen? Ein seltsames Gefühl überkam den Hayabusa, als er sich diese Fragen stellte.

    "Hilf mir..."

    Ein jäher Schmerz zuckte blitzartig durch die Schläfen und ließ Ryu zusammen fahren. Diese Stimme... Woher... Eine Falle? Vielleicht? Aber was, wenn... Und Griffin? Entscheidungen mussten fallen. Doch, indem er wie von automatisch hastigen Schrittes los lief, musste davon schon nichts mehr getroffen werden. Der Südländer war ohnehin verschwunden, ohne auch nur eine Spur hinterlassen zu haben. Was nicht bedeutete, dass sein Freund sich nicht um ihn sorgte. Doch, gemessen im Vergleich zwischen Griffin und Freiya war sich der Templer ziemlich sicher, dass letztere, wenn es hier eine Gefahr gab, eher auf Hilfe angewiesen war. Und wer wusste schon, vielleicht war der Hüter ja wirklich bereits vor geeilt in der Hoffnung, zur Abwechslung einmal Ryu etwas Zeit zum Ruhen zu geben. Aber... Würde er so etwas tun? Das sah ihm nicht ähnlich... Vielleicht ein Grund mehr, jener Stimme in die Tiefe zu folgen. Doch wo der Hüter gerne leise aufgetreten wäre, schien keien Art des Fußabrollens, kein vorsichtiger Auftritt sein übriges zu tun, seine Schritte zu dämpfen. Jedes mal, wenn er den Fuß aufsetzte knarrten Kiesel und Felsreste unter seinen Füßen und erfüllten damit jene verwinkelte Korridore denen er folgte... Es hatte keinen Wert. Schleichen war hier keine Option, also konnte er sich diesen Kraftaufwand zugunsten von Geschwindigkeit beim durchqueren des Komplexes sparen.

    "Komm mich holen... Bitte..."

    Jene Stimme in den Tiefen... Ein jedes mal wenn sie an seine Ohren drang klang es, als bohrte sich etwas in sein Herz. Ein feiner, länglicher Nagel an dem Stränge hingen die bis zu seinen geistigen Erinnerungen reichten. Das konnte nicht... Durfte nicht! Vielleicht war es wirklich Freiya, die dort rief, aber... Dafür unterschieden sie sich zu sehr in ihrem Klang. Würde man Stimmen mit Worten beschreiben, so war die seiner Schülerin und Jagdbegleiterin mehr die eines lauen Abends im Spätsommer. Wenn man durch die ersten herab gefallenen Blätter schlenderte und einen angenehmen Luftzug aus den Bergen in Gesicht und Haaren spürte. Das Gefühl von Fernweh und Abenteuerlust. Aber die Stimme aus der Tiefe? Wie der süße Tropfen Wein auf den Lippen den man an einem heißen Sommertag an einem Fluss genoss. So... Vertraut...

    Die Korridore erstreckten sich über viele Abzweigungen, Biegungen und Pfade. Teils verfallen, teils so überwuchert, dass man dachte, man würde durch das Innere eines Labyrinths aus Pflanzen wandern. Immer wieder zeigten sich dabei bekannte Abbildungen alter Reliefs die Ryu schon desöfteren gesehen und deuten gelernt hatte. Doch waren sie alle anders als jene in der Kultstätte der Wyvern-Anbeter... Und irgendwie auch nicht. Am Ende waren es einzelne Details die sich dort wieder spiegelten: Im großen Kampf um Silden war kein Held zu sehen, der dem Hayabusa ähnelte. Eine andere Figur, mit Bogen und Speer. Bärtig, hochgewachsen und von südländischem Teint. Es gab kein Bildnis über eine Verbindung von Wyvern und Jäger. Stattdessen war es die unendliche Schwärze in der die besiegte Kreatur einging. Für alle Zeit vergessen und verloren. Bei dieser Betrachtung füllte sich das Herz des Hüters mit einer seltsamen Schwermut und Traurigkeit. Ein Gefühl von Verlust und Bedauern, das noch bestärkt wurde, als ihm die nächsten Bildnisse unter die Augen kamen: Ein großer Baum, umringt von vielen Menschen. Auf seiner blattlosen Krone jener Krieger stehend. An seiner Linken eine weibliche Figur mit acht Armen. Zwei davon um den Arm des Kriegers gelegt der triumphierend den Bogen gen Himmel reckte. An seiner Rechten eine weitere, hoch gewachsene Gestalt, das Gesicht verborgen unter einer hölzernen Maske die ihm nur zu bekannt vor kam. Und um die drei herum noch einmal drei kleinere Menschen die zu ihnen aufblickten und lachten. Und am Fuße des Baumes weitere Leute. Kniend. Betend. Dankbar dafür, dass ihr Erlöser sie befreit hatte. Dieses Bildnis war neu... Diese Form der Unterwerfung... Ein kalter Schauer lief über den Rücken des Templers. Wären die Dinge so ausgegangen, wäre er nicht vor Ort gewesen? Damals? Wäre einfach ein anderer gekommen und hätte Sarkany erlegt? Wäre das Waldvolk diesem Abbild eines Helden gefolgt, sogar auf die Knie gegangen vor ihm? Was war diese Frau mit den vielen Armen? Warum lagen all ihre Gesichter unter schattenhaften Schraffierungen? Natürlich... Reliefs... Kryptische Vorhersehungen und das alles... Vielleicht alternative Deutungen? Es half nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Also ging marschierte der Templer weiter, immer zu der Stimme lauschend die mit jeder Biegung und jedem Portal das er durch schritt deutlicher wurde. Und schwerer auf seiner Seele zu lasten drohte.

    Es mussten Stunden vergangen sein. Vielleicht Tage? Das Zeitgefühl in diesem Irrgarten menschlicher Schaffenskunst schien sich gänzlich zu verlieren. Selbst das Sonnen- oder Mondlicht, wer konnte das schon feststellen, schaffte es nicht, durch die teils eingestürzten Dächer und Wände zu dringen. Aber war die Oberfläche überhaupt noch erkennbar, oder führten des Hüters Schritte ihn schon seit langem wieder durch die Gewölbe des Weißaugengebirges? Alles was er wusste war, dass er alleine war. Wie schon so oft. Jagend nach einer Stimme die mit jedem Ruf eine weitere Narbe auf seinem Herzen zu öffnen vermochte. "Fast wie damals...", entwich es dem Templer schließlich in seltsamer Resignation. Auch damals hatte er gesucht. Noch für Tage und Wochen, als die anderen schon aufgegeben hatten. Einsam und allein in den Sümpfen in der falschen Hoffnung, sie retten zu können. Doch dazu war es nie gekommen. Wie schon viele Male zuvor. In dieser Hinsicht gab es einfach keinen glücklichen Ausgang. Aber... Vielleicht doch? Nur dieses eine Mal? Ryu hielt inne. Endlich spürte er etwas, das sich nahe seines Fußes zurück zog. Schlangenartig aber viel weniger... Wendig. Eher wie ein behäbiger, nasser Schlauch der durch den Gang gezogen wurde. Hin zu etwas... Größerem... Etwas, das sich organisch und langsam zu bewegen schien. Und dann nahm er es wahr: Unscheinbar und schwach. Und doch so fest verankert in seiner Erinnerung wie kaum ein anderer Duft... "Kirsch... Blüten..."

    Ohne zu zögern ergriff der Templer seine Klinge und trat ein, in den stockfinsteren Raum. Doch kein Training und keine Meditation der Welt hätten ihn darauf vorbereiten können, was dort auf ihn... Lauerte. Ein rotes Pulsieren leuchtete einmal bedrohlich entlang der Wände, Decke und des Bodens auf. Hin zur Mitte, gegenüber des Einganges in die Halle. "Du... Du bist hier... Ryu...". Es bestand kein Zweifel... Unruhig wanderten die Wyvernaugen durch den Raum. Erst als das abgeklungene Pulsieren einmal mehr auf glomm, dieses mal kontinuierlicher ohne den Raum wieder in Dunkelheit zu tauchen, konnte der Hüter es mit Bestimmtheit sagen. Dieses Gefühl übermannte ihn. Ließ die Spannung in seinem Kiefer aufs Äußerste erstarren. Seine Lippen zitterten unruhig und die sonst so lauernden Augen starrten erfüllt von Terror auf jenes Gebilde, das sich ihm dort gerade auftat.

    "M-Myra..."

    Vor ihm wucherte ein groteskes Gebilde einer von Fäulnis erfüllten, schwärzlichen Wurzel. Gespickt mit Dornen und durchzogen von jenen rot pulsierenden Linien die die Halle schwach erleuchteten. Und sie hatte sich bereits überall mit ihren Ausläufern in der großen Säulenhalle ausgebreitet. Wie ein Krebsgeschwür das vor Verderbnis nur so strotzte. Und in dessen Herzen, umschlungen von einigen kleineren, armdickeren Wurzeln an Armen, Bauch und Hals, saß die ausgemergelte Gestalt einer Frau die er schon lange totgeglaubt, doch nie aufgegeben hatte. Myra... Nach all den Jahren... Wie lange war sie hier schon gefangen? Wie hatte sie überlebt? Wie... Wie... WIE?! All die Selbstdisziplin und stoische Geduld des Hayabusa bröckelte mit einem Mal, als traf eine Spitzhacke in ihrem finalen Schlag auf einen Felsen der aufgab und schließlich zerbarst. Gerade noch halbwegs bei Sinnen steckte er seine Waffe zurück in die Schwertscheide und machte ein paar große Schritte und Sprünge an den Wurzeln hinauf, hin zu seiner verschollenen Weggefährtin. Sie lächelte schwach... Es musste nicht erwähnt werden, dass sie in einem beklagenswerten, äußeren Zustand war: Die Augen geschwärzt und fast in einer Einheit mit dem schmutzigen Gesicht unter dem an nur wenigen Stellen ebenso dunkle, schwarze Schlieren zu sehen waren, die entweder den Giften dieser Wurzel geschuldet waren oder den vielen Tränen die sie vergossen haben musste. Mit beiden Händen umfasste der Hüter ihre Wangen. Den Blick der einstigen Zofe der Sumpfkaiserin suchend. Sie fühlte sich kalt an... Der Duft der Kirschblüten hing nur noch schwach an ihr, doch war er unverkennbar. "Myra... Was... Was haben sie...". Ryus Stimme überschlug sich in einer Mischung aus Entsetzen und Sensation. Aus Angst und Hoffnung.

    Wie sich die Spinnen-Hüterin trotz der Strapazen ein Lächeln abringen konnte, während dunkle Tränen über ihr eingefallenes Gesicht rollten wirkte fast schon wie ein seltsames Wunder. "Endlich hast du mich gefunden... Ryu... Bitte... Befrei mich...", doch Ryu deutete ihr an zu schweigen und zog stattdessen sein Schwert. "Myra... Ich... Warte... Ich hol dich da raus... Ich..." vergeblich packte er nach einer der Wurzeln und zog daran... Nur rührte sie sich nicht. Ein Raunen ging durch das widerwärtige Gewächs, als verspottete es das schwächliche Zerren und Reißen des kleinen Käfers der dort versuchte Unruhe zu stiften. Doch das sollte sich ändern, als der Hüter ohne viel Geduld seine Waffe zog und ausholte. Was er allerdings nicht wusste war das Ergebnis, als die Schneide mit einem gewaltigen Schnitt in das faulige Holz eindrang. Das gesamte Gemäuer begann zu beben und Myra entwich nur ein gepeinigter, schmerzerfüllter Schrei. Japsend, mit stockendem Atem und einem Stein erweichenden Flehen im Blick schüttelte sie nur den Kopf. "Nein... Nein, bitte nicht... Es tut weh! Ich... Ich flehe dich an... Bitte nicht! Ich... Ich spüre seine Schmerzen... Bitte nicht... Ryu... Hör... Hör mir zu..."

    Noch bis eben völlig erschrocken und zusammen gezuckt hatte Ryu mit einem Mal die Klinge aus der blutenden Wurzel heraus gezogen und in den Raum befördert. Dieser Schmerzensschrei der einstigen, grünhaarigen Trägerin seines Herzens war in ihn eingeschlagen wie ein Blitz der eine Trauerweide spaltete. Wieder umfasste er ihr Antlitz mit beiden Händen. Es musste doch einen Weg geben! Er konnte sie doch so nicht erst wieder finden, nur um sie dann an dieses verderbte Wurzelgemüse verlieren. Die Lippen der Hüterin zitterten leicht. Ihre Augenlider flatterten... Sie war so schwach... So zerbrechlich... "Dieser Ausläufer... Gehört Tooshoo... Meine... Die Spinne... Hat mich...", ein trockener Husten unterbrach ihren Satz. Ryu strich ihr ein paar Strähnen zurück, deutete ihr an, ihre Kräfte zu schonen. "... Sie hat mich hier her geführt... Sagte, das Blut... Das Blut eines Hüters könne sie reinigen... Aber ich... Ich kann nicht mehr... Ich fühle mich so schwach... So... Ungenügend... Ryu...", als wären diese Worte, die erklärten wo sie über all die Jahre gewesen war nicht schon genug gewesen... Das Wissen, wie sehr sie sich aufgeopfert hatte für Menschen auf die sie dereinst herabsah... Etwas in der Brust des Schwertmeisters zerbrach unweigerlich, erlitt jedoch bei ihren nächsten Worten den Gnadenstoß. "... Ich sterbe..."

    Ryu stand da wie versteinert. Jedwede Kraft schien ihn in diesem Moment zu verlassen. Sein Blick senkte sich von den schwarzen Augen seiner Liebsten hinab auf das pulsierende Wurzelfleisch. Es zog seine Energie also aus einem Wirt... Und versuchte sich zu reinigen... Ja... Das Pulsieren ergab Sinn... Es erinnerte den Hayabusa an den Herzschlag einer sterbenden Person die nicht aufgeben wollte, jedoch wusste, dass sie früher oder später den Kampf verlieren würde. "... Was ist mit den Druiden? Ornlu wüsste sicher...", aber Myra verneinte nur mit dem bisherigen, schwachen Lächeln. "Nein... Bis... Er war hier... Der Wolf... Und ließ mich zurück... Er hat gesehen, dass... Dass ein Hüter diesen Ort... Reinigen... Sich opfern muss... Aber mein Blut... Nicht stark... Genug..."

    Dem Templer entglitt das Gesicht. Unkontrolliert zuckten seine Brauen zusammen. Die Augenlider hoben und senkten sich und sein ganzer Körper begann zu zittern. Hätte Ornlu die Dinge wirklich so einfach auf sich ruhen lassen? Warum hatte er nicht bemerkbar gemacht, dass sie hier war? War er wirklich so... Erkaltet? Hätte er das, was seinem besten Freund am liebsten war so zurück gelassen? Und wo, verdammt nochmal steckten Freiya und Griffin? Warum war denn niemand hier? Warum half zur Abwechslung mal niemand IHM!? Er sank auf die Knie. Die Hände auf die dunkle Rinde gelegt. Sie hatten sich endlich wieder... Aber wer hätte sagen können, dass es SO hatte stattfinden sollen? Das langersehnte und fast schon aufgegebene Wiedersehen... Alles fühlte sich so unglaublich schwer an. Jenes Gewicht, dass der Hüter schon seit Jahren auf seinen Schultern getragen hatte drohte nun, ihn mit all seinem Gewicht unter sich zu begraben. All die Jahre... Die Freiheit, die er auf ihre Kosten hatte genießen können... Das Leben... Das Essen... Trinken... Wind in den Haaren und die Sonne auf der Haut... Während sie, für die er all dies geopfert hätte hier unten langsam verrottete und gegen das ankämpfte, was er nur an der Oberfläche gesehen hatte... "Ich... Mach es wieder gut... Ich... Muss dafür gerade stehen...". Hinter den Schläfen des Kriegers schmerzte es dumpf, als er sich erhob und seinen Dolch zog. Die Wyvernaugen leuchteten nur schwach, als sie dem einstigen Sumpfgrün begegneten, welches ihn nun in tiefer Schwärze anfunkelte. Getränkt von Bedauern und Schuld lächelte der Templer nur, als er die Klinge über seine linke Handfläche führte. Der scharfe Schmerz der dabei entstand wurde innerhalb weniger Sekunden von der Wärme des austretenden Blutes umrandet. "... Du warst so tapfer, Myra... Mein Herz. Meine Gefährtin. Meine Liebe. Aber jetzt... Ist es an der Zeit, dass du Frieden findest. Dass jemand für dich übernimmt.".

    Myras Augen weiteten sich, als die ersten Tropfen des roten Lebenssaftes auf die Wurzeln tropften und diese mit jedem weiteren wilder zum Pulsieren brachten. Als hätten sie im Nu das Interesse an ihrem Wirt verloren, lösten die faligen Holzarme langsam den Griff um die einstige Adlige und entließen sie sanft in die Arme ihres Geliebten. Das Wissen, sie nun frei zu sehen rechtfertigte den Entschluss den er getroffen hatte. Noch reagierte das korrumpierte Geschwür nicht. Zumindest nicht, solange es sich an dem frischen, reinen Blut des Hüters labte. Nicht, solange er auch nur ansatzweise mit ihm in Kontakt stand. Was gerade dazu reichte, sie die großen Ausläufer hinab zu tragen und seine Stirn noch einmal gegen ihre zu lehnen. "Du hättest nicht... Das war nicht...", doch der Templer lächelte nur traurig, deutete ihr an zu schweigen. "Finde Griffin und Freiya. Und danach bring die Druiden hier her... Ich halte solange...", die erste Wurzel schlang sich bereits um seinen Arm. Gefolgt von der herannahenden zweiten. "... Die Stellung..."

    Dann würde die Wacht nun also beginnen... Wie zuvor Myra umgriffen ihn die hölzernen Ketten um Arme, Hüfte, Bein und Hals... Spitze Dornen bohrten sich dabei ins sein Fleisch und er spürte direkt, wie das faulige Herz von Tooshoos Ausläufer zu pulsieren und gierig an ihm zu zehren begann. Zwar versuchte er dagegen anzukämpfen, doch hatte er noch nie so einen schraubstockartigen Griff um sich gefühlt der auch noch tiefere Wunden riss, so sehr er sich wehrte. Doch er würde standhalten... Würde warte, bis seine Freunde...

    "Keine Sorge, Bruder. Ich übernehme ab hier!", hallte es plötzlich an das schwindende Bewusstsein des neuen Wurzelhüters heran. Hinter einer der Säulen trat eine Gestalt hervor... Sie war hoch gebaut... Dunkler Teint und langes, braunes Haar. Unter seiner immer wabernderen Sicht erkannte Ryu grüne Augen und ein so markantes wie bekanntes Grinsen... Aber... Wie konnte das sein? Wieso war er so... Anders? So in der Blüte seines Lebens... Wie er hätte sein... Können... Dort, am Fuße der Wurzeln, seine liebste Myra im Arm... Stand Griffin... Der Griffin, den er auf den Reliefs gesehen hatte... Ihre Arme lagen um seinen Hals. Schwach trug er sie auf den seinen. Ihr Blick wie gebannt auf ihm. Etwas kräftiger... Freudiger... Erleichtert... Das war gut... Sie war in Sicherheit... Die Lider des Hayabusa wurden schwerer und schwerer... Verdeckten bereits sein halbes Blickfeld, nicht mehr in der Lage zu sehen, wie sein bester Freund sich zu seiner Liebsten hinunter beugte und... Dann fiel der Hüter. In eine lange, unumschreibliche Finsternis... Kalt... Zähflüssig... Einsam...
    Geändert von Ryu Hayabusa (17.04.2024 um 19:37 Uhr)

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    Veteran Avatar von Chala Vered
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    Südöstlicher Sumpf, 2. Tag, später Abend - Chala, Valerion, Yarik

    Bevor sie antwortete, sah Chala zu den anderen, wollte sichergehen, dass sie außer Hörweite waren. Ihr Blick wanderte über Liam, der sich leise mit Eileen unterhielt, die auf ihren Speer deutete und den Kopf schüttelte. Glaen säuberte seine doppelschneidige Holzfälleraxt bereits zum vierten Mal, strich über das eiserne Blatt mit einer fast liebevollen Bewegung. Shakes saß für sich, hing seinen Gedanken nach und schaute gen Himmel. Valerion unterhielt sich unterdessen mit Selana, die nicht mehr so kratzbürstig wirkte wie zuvor, seitdem ihr Anführer ein Machtwort gesprochen hatte.
    Die Dunkelhäutige ließ den Blick die Felsformation hinaufwandern. Von der Seite betrachtet ergab es Sinn, warum man es den Affenkopf nannte. Die Form stimmte und laut Liam hätten sie auch bis auf den Schädel klettern können, doch das erforderte einige Übung und für die Nacht fühlten sie sich bereits auf dem steinernen Fundament sicher genug. Chala lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf Yarik, der auf ihre Antwort wartete.

    „Wenn du siehst, was du sagst und mit jenen Geistern sprechen kannst, dann bist du nicht so, wie ich dachte“, waren ihre Worte, die nur indirekt als Antwort durchgehen konnten.
    Für einen weiteren Moment überlegte sie, wie viel sie erzählen sollte. Zu wenig wusste sie über den Bärtigen oder die Magie, die er zu beherrschen wusste. Was, wenn er auszunutzen in der Lage war, was mit ihr nicht stimmte? Doch war es nicht der treibende Gedanke gewesen, der sie zurück in den Sumpf geführt hatte? Hilfe zu finden für das, was in ihr schlummerte? Es hatte sie bereits mehr als zwei Jahre ihres Lebens gekostet und war dafür verantwortlich, dass ihre Mission in Thorniara damals scheiterte.
    „Es ist so, dass ich befürchte nicht allein mit meinen Gedanken zu sein“, gab sie schließlich zu, „Ich habe keine Beweise, doch es gibt Zeiten, an die ich keine Erinnerungen habe. Meine gesamte Kindheit zum Beispiel. Egal wie sehr ich mich anstrenge, da ist nichts. Gaogao.“

    Sie versuchte den Nebel, der immer noch um sie waberte, zu durchdringen, etwas zu erkennen, doch zwischen den Schwaden und der Dunkelheit war nichts. Oder?
    „Aber es ist nicht nur meine Kindheit, sondern auch Zeiträume in der jüngeren Vergangenheit. Ich musste feststellen, dass ich für zwei Jahre nicht ich selbst war, als ich zu alten Bekannten zurückkehrte. Die Welt hatte sich weitergedreht, doch ich war noch immer die Chala von vor zwei Jahren, o ai ete Malamalama ai?“
    Würde er verstehen, was sie meinte oder worauf sie hinauswollte? Sie selbst wusste nicht einmal genau, wie sie beschreiben sollte, was in ihr vorging. Sie hatte noch ihr Buch, was sie ihm zeigen könnte. Doch sie bezweifelte, dass er die Schrift ihrer Heimat würde entziffern können.

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    Burgherrin Avatar von Freiya
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    Zentraler Sumpf, Tempelruine, 3. Tag, vor Anbruch der Dämmerung

    Inzwischen hatte die Dunkelheit die Grube in vollständige Schwärze gehüllt.
    Freiya hatte aufgehört zu weinen, saß aber weiter ungerührt auf dem Boden, das Gesicht vergraben. Es war still. Kein Laut drang an die Ohren der Rothaarigen als ihr eigener Atem. So war es schon seit Stunden. Doch nun endlich rührte sich etwas in ihr …

    „Gibt es nun noch irgendetwas, was ich vielleicht wissen sollte? Irgendwelche Schlachten, in die du zusätzlich ziehen musst? Irgendwelche Feinde, die dir das Leben rauben könnten? Ich möchte nicht, dass du denkst, ich mische mich in deine Sachen ein. Ich möchte einfach nur wissen, auf was ich mich vielleicht vorbereiten muss. Abgesehen von dem Krieg.“

    Es war ihre eigene Stimme. Sie drang klar aus den schwarzen Tiefen ihres Geistes hervor. Eine Erinnerung. So scharf und deutlich wie die Schneide eines frisch geschliffenen Schwertes.
    Und wieder herrschte Stille und Dunkelheit. Im nächsten Augenblick aber tauchte vor ihrem inneren Auge die Flamme einer Kerze auf. Und mit ihr ertönte eine Stimme, die sie kannte. Vertraut. Und sanft.

    „Auf nichts …“, sprach er.

    Ein Paar Augen tauchte auf und mit ihnen ein Lächeln.

    „Und auch um den Krieg sorge dich nicht. Ich hab die letzten Schlachten überlebt, ich kann auf mich aufpassen. Es wird schon alles gut gehen.“ Der Schwarzhaarige hielt den liebevollen Blick.
    „Die einzige andere Schlacht, die ich zu schlagen habe, ist die in meinem Inneren, wenn der Kampf uns trennen wird. Doch es wird ein -Auf Wiedersehen- sein, denn wiedersehen werden wir uns, sei dir dessen sicher.“

    Freiya fühlte eine Berührung an ihrer Wange. Seine Hand streichelte ihr sachte über die Haut. Raue Finger auf ihrem Gesicht.

    „Ich verspreche es dir.“

    Sie erwiderte seine Worte und Gesten mit einem zaghaften Lächeln, dann schmiegte sie sich seiner Hand entgegen.
    „Ich zweifle auch gar nicht an dir“, hörte sie sich antworten. „Aber ich kann einfach nicht vergessen, dass es nunmal ein Krieg ist, der da anklopft. Ich verbinde dies mit viel Leid und Elend, mit Blut und Tod. Du bist der Erfahrene von uns beiden und weißt die Zeichen ganz anders zu deuten als ich. Mir macht das einfach nur Angst.“
    Mit beiden Händen griff sie nun nach seiner Hand und hauchte einen Kuss auf seine Haut.
    „Ich weiß nicht ganz, wie ich es hier aushalten soll, wenn du weg bist. Manchmal hab ich das Gefühl, dass diese Stadt mich verrückt macht. Allein der Gedanke, dass du hier bist, rettet mich vor dem Weglaufen.“

    Seine Augen hatten sich weiterhin an sie geheftet und blickten geradewegs in ihre Seele. Sie hielt indessen immer noch seine Hand umklammert, als wollte sie sich festhalten und nicht den Halt verlieren.

    „Weißt du, ich habe Iwein kennengelernt und Großmeister Ferox und diesen Mann names Uncle, allen voran stehst du. Ihr alle, ihr seid so... anders. Ich habe das Gefühl, dass euch etwas verbindet, viel mehr als vielleicht der Rang und vielleicht ein Waffenrock, viel mehr als vielleicht gemeinsam geschlagene Schlachten. Das ist alles so ... seltsam, aber auf eine angenehme Art und Weise. Ich mag natürlich Bäckermeister Jenzin und seine Frau, sie sind gutherzige Menschen. Aber viele hier denken zuerst an sich und dann, dann treffe ich auf jemanden wie dich oder auf die ganzen anderen Herren und ich werde selbstverständlich normal behandelt. Und wenn ihr dann alle wieder weg seid, dann bin ich wieder unsichtbar.“

    „Sichtbar oder unsichtbar machen nicht Männer wie ich dich. Ob man dich sieht oder nicht, wird allein durch deine Taten bestimmt. Dein Handeln, deine Ausstrahlung, all das ergibt ein Bild. Ist es trist, grau und gleicht sich dem der Stadt an, oder erstrahlt es hell und leuchtet? Das macht den Unterschied ... Du wirst zum Licht ... Du bekämpfst Sorge, Angst und Zweifel in dir, entdeckst Stärke und Kraft, beginnst zu glauben.“

    Seine Augen funkelten sie an, ließen sie teilhaben an der Bewunderung, die er für sie empfand. Eine alles umfassende Wärme breitete sich in ihr aus.

    „Du veränderst dich. Du erstarkst. Du wächst an den neuen Herausforderungen und dein entflammter Glaube kräftigt dich. Und ich tue mein Möglichstes, um dir den Rücken zu stärken. Ich habe eines gemeinsam mit Iwein und Ferox. Ich sehe in dir, was sie sehen. Du hast mir die Ehre erwiesen es kennenzulernen. Es ist dein Licht, dass dich sichtbar macht. Lass es wachsen und du wirst für ein jedes Auge erkenntlich werden.“

    Dann war wieder Stille. Doch das Bild der Kerze blieb vor ihrem inneren Auge.

    Ihr … ihr Licht?
    Mit einem Mal rührte Freiya ihre steif gewordenen Glieder. Beseelt von einem inneren Funken richtete sie sich auf.
    Da war es wieder gewesen. Hatte er das nicht schon einmal zu ihr gesagt? Etwas anders formuliert?
    Du gabst mir Erfüllung und brachtest mir Licht und Wärme. Du warst die Erfüllung und warst das Licht und die Wärme.

    Licht und Wärme.
    Genau das konnte sie gebrauchen. Etwas, das ihr Hoffnung gab.
    Licht und Wärme … Feuer!
    Sie hatte die Fackel getragen. Ryu hatte das Schwert geschwungen. Griffin seine Pranken. Und sie … das Feuer. Der Funke, der in ihr entsprungen war, begann zu einem Glimmen, dann zu einer Flamme zu werden.
    Ihr Kopf begann zu rattern. Was hatte sie bei sich? Was konnte sie nutzen? Einiges hatte sie einstecken, doch als Erstes brauchte sie ein Stück Holz. Aber hier war kein Stück Holz zu sehen gewesen, nirgendwo. Nur zerfallendes Laub, Gestein und ein Toter. Ihren Bogen würde sie nicht zerlegen, stattdessen …
    „Gestattet Ihr?“, wandte sie sich an das Skelett des Ritters. Es war nicht schön und sie musste das Gefühl von Ekel mühsam niederkämpfen, aber mit ein paar wenigen Handgriffen hatte sie den Oberschenkelknochen des Toten geborgen.
    „Ich bitte um Verzeihung, auch, wenn Ihr ihn nicht mehr braucht“, sagte sie. Dann riss sie ein wenig Stoff von einem Fetzen ab, der vielleicht mal so etwas wie eine Unterhose gewesen sein könnte. Die Jägerin umwickelte den Knochen an einem Ende mit dem Stoff, dann begann sie an ihrem Beutel, den sie bei sich trug, herumzunesteln. Nach wenigen Augenblicken hatte sie endlich gefunden, was sie gesucht hatte: ein kleines Fläschchen mit einem Lappen, der mit einer Brennpaste beschmiert war.
    Sie fischte den Lappen heraus und wickelte ihn zusätzlich um den Stoff am Knochen. Einige Augenblicke später stoben Funken von ihrem Feuerstein und Pyrit auf und erhellten für winzige Augenblicke die Szenerie. Sie brauchte mehrere Anläufe, aber dann endlich sprang der Funke über und aus einem Glimmen wurde schnell eine kleine lodernde Flamme. Zufrieden nahm Freiya ihre improvisierte Fackel in die Hand. Es würde mit Sicherheit nicht lange halten, wer wusste schon, wie der morsche Knochen auf die Hitze reagierte. Aber es reichte für den Augenblick, um ihr zu geben, was sie brauchte: Hoffnung, Wärme, Licht. Und damit eine bessere Sicht.
    Jun irrte sich. Sie fürchtete das Feuer nicht. Es war ein Teil von ihr.

  17. Beiträge anzeigen #37 Zitieren
    Veteran Avatar von Onyx
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    Östliche Tempelruine, 3. Tag, Vormittag - Onyx - Auf Ogerjagd

    Vorsichtig schritt er zwischen Gräsern und Wurzeln. Wagte nicht durch Büsche zu streifen und umging sie. Nutzte jeden Baum bei seiner schon lange währenden Verfolgung der langsamen Art.
    Die eines Jägers nach einer kapitalen Beute, für die man sehr viel Zeit und Geduld mitbringen musste, um sie zu verstehen, Muster zu erkennen und Schwachstellen zu sehen. Ein Studium des Feindes in unmittelbarer Nähe.
    Er ging wie der Oger, hielt wie der Oger und legte Wert darauf, nichts dem Zufall zu überlassen.

    Das alles war sein Alltag, seit er die Verfolgung aufgenommen hatte. Anfangs noch durch das Gift geschwächt und von der Krötenwurz beeinträchtigt, wäre er wohl schon bald wieder völlig frei von Giften.
    Was genau so wichtig war, war jedoch, dass er auch Nahrung gefunden hatte. Buddlerfleisch war für den Waldläufer ein Segen. Seine Erfahrungen damit, seitdem er die Olvara traf, waren vielfältig. Immer wurde er durch kleine Mengen schon recht satt und musste mit Übelkeit kämpfen, als ob er sich überfressen hätte. Ebenso aber war da noch ein anderer Effekt, der enormen Durst verursachte, aber Onyx hier gegen den Oger vor der Entdeckung half.
    Wie ein Schwamm nahm Onyx die Gerüche der Umgebung, anstatt seinen durch die lange Zeit in der Wildnis geprägten Eigengeruch an sich zu tragen.
    Das war ein guter Preis für den stetigen Durst und die Übelkeit die er empfand. Auch hier machte die Dosis das Gift und er hatte gelernt, dass ein großer Pilz für gut anderthalb Tage reichte. Je nach Qualität.
    Andere Pilze die er gefunden hatte, hatte er bei sich und nicht zu sich genommen. Dunkelpilze, Morgentau und einen fürchterlich stinkenden Pilz mit höllenroter Kappe und schwarzem Stiel. Den Namen kannte er noch nicht und seine Wirkung erst recht. Aber seine Neugier überwog dem aktuellen Nutzen.

    Der Oger und er erreichten die östlichen Tempelruinen. Sie waren bei weitem nicht so groß wie die zentrale Tempelanlage, aber groß genug für einen stufenartigen Bau, der in die Höhe ging und einen von Lianen zugewachsenen Haupteingang besaß.

    Der Oger hielt an und schnüffelte wieder, indem er die Nase hoch hielt und wartete das der Wind auch dreht. Onyx beobachtete alles genau und pirschte seitlich um den Oger, um eine bessere Deckung bei einer verwitterten Säule zu finden. Er hielt abrupt, als der Oger sich wieder bewegte und scheinbar ein Ziel gefunden hatte.Onyx sah zu wie der Oger die Keule hob und aufbrüllte. während sich vor diesem massige Körper erhoben und Mäuler unzähliger Zähne dröhnend öffneten. Sumpfhaie - drei Bullen an der Zahl und auch nicht wirklich überrascht über den anstürmenden Feind. Als hätten sie ihn erwartet.
    Während die Monster begannen sich zu bedrohen und die Sumpfhaie den Oger einkreisten, jagte Onyx in hohem Tempo zum Tempel, um dort von erhöhter Position die bestmögliche Schussgelegenheit zu haben. Das konnte DIE Gelegenheit sein Rache zu üben.
    Onyx sprang die Blöcke hoch, hievte sich hinauf und rannte zur nächsten Ecke, um dem Getümmel unten zu folgen. Die Sumpfhaie attackieren, wichen zurück und hielten immer einen gebührenden Abstand zum Oger. So langsam wie er teilweise für menschliche Verhältnisse war, waren sie doch ein Stück flinker.
    Doch für Onyx war es nur eine Frage der Zeit, bis der Oger treffen würde.
    Endlich in Position schreckte er an der Ecke dann zurück, denn direkt an der Ecke auf der andere Seite fand er ein Loch im Gemäuer vor. Lianen wuchsen dort hinein und das Licht, das da hinein schien, offenbarte dass es da tief runter gehen musste. Er sah Knochen und roch Verwesung. Da unten lag eine große, tote Tooconda. Schon länger und angenagt.
    Sein Fokus änderte sich dann wieder in Richtung Oger, da rasselte es plötzlich in der Dunkelheit und eine Sehne entspannte. Onyx machte sich instinktiv klein und bekam mit wie ein Pfeil in eine dicke Liane einschlug.
    “Pasheera!”, zischte er und kroch aus dem Schussbereich. Der Pfeil der da in der Liane steckte war ungewöhnlich. Ungewöhnlich für hier und Argaan.Die Federn am Schaft waren seltsam und Onyx unbekannt und auch die Spitze war anders. Klein, spitz und länglich mit einem triefenden Loch am Pfeilspitzenansatz.
    “Giftpfeile…”, knurrte er und entfernte sich bäuchlings im Rückwärtsgang, um ja nicht in das Zielfeld zu kommen. Dann hörte er ein Brüllen. Ein Sumpfhai hatte sich in den Arm des Ogers verbissen und schüttelte sich, während der Oger mit seiner Keule ausholte und dem Sumpfhai den Schädel einschlug. Ein Mal, zwei Mal und dann schlug er rund um sich, um die anderen Sumpfhaie abzuwehren. Die brüllten auf und krochen heran, während der Oger sich nach hinten bewegte und einen Vorteil gewann. Fester Boden. Die Sumpfhaie glitten nicht mehr auf feuchten Grund und als er sie dann attackierte, wichen sie knapp zurück. Der Kampf endete damit, denn der Oger wollte mit seinem blutigen Arm und verlorenen Fingern an der Hand nicht wieder im Nachteil sein und die Sumpfhaie nicht riskieren, dass sie zu langsam waren. Zwei Hiebe mit der Keule und auch ein Sumpfhai war tot.
    Der Oger drohte noch und zog dann weiter. Onyx indes musste nun entscheiden. Dann krabbelte er rasch zum Loch, packte den Pfeil, zerrte ihn aus der Liane heraus und rollte sich weg. Genau richtig, denn ein sehr seltsame Stimme erklang, rief etwas auf varantisch und schoss erneut einen Pfeil ab. Der jagte durch das Loch und prallte gegen den Stein der Tempelruine. Der Pfeil war kaputt. Onyx steckte den Giftpfeil vorsichtig ein und schlich sich mit seiner Ausrüstung davon. Aus dem Blickfeld der Sumpfhaie und dem Oger wieder hinterher.
    Zu gerne hätte er da nach unten geschossen und gesehen, was da war. Zu gerne wollte er sich aber am Oger rächen. Die Rache trieb ihn an.

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    Veteran Avatar von Kiyan
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    Westlicher Sumpf, Niradh, 3. Tag, früher Morgen - Zarra, Kiyan, Ornlu und seine Jungs

    „ECHUIO!“
    Kiyans Körper verkrampfte sich, verkrampfte sich heftiger, als es unter dem Einfluss der Knochenhexe gewesen war, an den Fäden jenes orkischen Puppenspielers, der seinen Geist – anders konnte der Gortharer es nicht bezeichnen – geschändet hatte. Doch dieses Mal war es anders. Ab dem Augenblick, da sich die Knochenhexe als das zu erkennen gegeben hat, was sie eigentlich war, hatte der Kontrolle, der Zauberei etwas Verdorbenes angehaftet wie der Geruch von Blut. Jetzt aber … war da der Wolfsgeist, vielleicht ein Abkömmling des Weißen Hetzers, dem Götzen, dem der Wolfsdruide die Gefolgschaft geschworen hatte, in dessen Schuld Kiyan stand. Vielleicht aber auch ein niederer Geist, vielleicht auch etwas ganz anderes.
    Halb bekam der Jäger mit, wie auch die anderen Teilnehmer des Rituals auf die Wolfsseele reagierten. Sein Blick blieb an der jungen Zarra hängen, dem Wildfang, den Ornlu gerettet hatte. Weiße Haar, große, türkisblaue Augen in einem sommersprossigen Puppengesicht, zierlich und klein, jetzt aber dastehend wie eine junge, entschlossene Wölfin, die mit dem Rudel ziehen durfte. Auch Ornlus ‚Jungs‘ steckten augenscheinlich das Ritual gut weg.
    Wieder ein Krampf, ein Verkrampfen. Nein!, brüllte eine Stimme in seinem Geist und es dauerte einen Augenblick, ehe Kiyan realisierte, dass er selber es war. Nein! Mein Geist gehört mir, ich bin ich. Kein Wolf, kein Wolf, kein Wolf! Ich, ich, ich!
    Kämpfe nicht an, knurrte der Wolf mit der Stimme Ornlus. Akzeptiere!
    Ich, ich, ich … ich … ich … Kiyan … Ki … yan …
    Er strauchelte, stürzte. Die anderen maßen ihn mit den Blicken von Wölfen. Dies war ein Kampf, den er selber ausstehen musste. Er keuchte, ächzte, spuckte aus … geiferte, zäher Sabber, der über Fangzähne lief. Eine Nase, die schnüffelte, die Myriaden Gerüche wahrnahm, Ohren, die Geräusche nah und fern hörten und sie spielerisch auseinanderhalten konnten. Seine Krallen gruben sich in die Erde.
    Knurren. Tiefes, gutturales Knurren. Der einäugige Wolf roch das Blut des Rudels und in seinem Hirn kam ein Hunger auf, der abnormal wirkte. Er wollte die Fänge in sie schlagen, wollte zerreißen und zerfetzen, saufen und schlürfen. Blutige, nährreiche Innereien … und dann weiter jagen. Größere, stärkere Beute. Wyvern, Affen, Löwen … Säbelzähne! Sie alle. Jede Kreatur, die dem Weißen Hetzer die Stirn bot.
    Der Blutwolf lachte, als er sich erhob, die dreckigen Klauen (Hände?) vors Gesicht hielt. Er lachte und lachte. Der Blick des Menschenauges war ruhig, fast besonnen, wenn auch abweisend gewesen. Der einäugige Wolf jedoch blickte herausfordernd, aggressiv, ja derart direkt, dass nichts anderes als Unwohlsein in einem aufkommen konnte.
    Der Alphawolf gewann seine Aufmerksamkeit und für einen Moment zögerte der Blutwolf mit dem Speer und dem Schwert, der Eisenwolf. Er wollte ihn anknurren, die Grenzen ausloten, Schwächen suchen und ausnutzen, um dann zuzuschlagen und das Rudel anzuführen.
    Aber in den Augen des Jadewolfs lag das Versprechen des Todes. Blutwolf knurrte leiser, summender, ehe er den Kopf senkte und die Führerschaft anerkannte.
    „Jagen wir, meine Brüder!“
    Adrenalin wallte in der Blutbahn des Wolfsmenschen auf, pulsierte durch die Venen. Muskeln spannten sich und als das Rudel loslief, musste er sich zusammenreißen, nicht zu bellen, den Kopf in den Nacken zu werfen und zu heulen. Er musste sich zwingen, den Speer festzuhalten und ihn nicht fortzuwerfen, dieses unhandliche Stück Holz. Seine Hinterläufe (Beine?) trugen ihn rasant voran.
    „Töten wir Wrooot!“, bellte Wolf-Kiyan und lachte aus vollem Halse. Hatte er dies tatsächlich mit der Besessenheit durch den Orkgeist verglichen? Nein, das hier war erhebend, wahrliche Aszendenz!
    Die Nase des Blutwolfes zuckte. Er roch etwas. Altes Holz, Tod, Fäule. Im Laufen blickte er zu dem restlichen Rudel. Der Jadewolf zeigte die Zähne, nickte. Auch er hatte die Witterung aufgenommen. Sie liefen noch schneller.
    Der einäugige Wolf, der Blutsäufer, der Speerwolf lachte erneut und jaulte dann, heulte wie ein Wahnsinniger, um die Beute einzuschüchtern.

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    Abenteurer Avatar von Zarra
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    Nordwestlicher Sumpf, 3. Tag, Vormittag

    Diagonal zum Wind preschte sie durch den Sumpf, gen Norden statt Osten, wo sich der alte Jägerturm und das Basislager befanden. Es herrschte Nordostwind und noch immer spürte sie die Verfolger, wie sie ihrer Fährte folgten, unablässig zu ihr aufschlossen. Hartnäckig waren die vermuteten Snapper und auch schneller, als ihre menschlichen Beine sie trugen. Der Wolfsgeist in ihr heulte und knurrte, trieb sie immer weiter an. Mehr, schneller, weiter, Gefahr, Flucht. All diese instinktiven Gefühle drohten sie zu übermannen, als Zarra ihren Körper ans Äußerste trieb. Die wilde Hatz durch den morastigen Wald hatte ihr ohnehin in Mitleidenschaft gezogenes Kleid auch der letzten Würde beraubt. Zerrissen hing der Rock an ihren dünnen, farblosen Beinen herab, das Unterkleid schaute durch den oberen Teil hindurch, in den sich weite Löcher geschlagen hatten. Hier und da hatte sie durch Büsche und niedriges Geäst Schrammen davongetragen, doch die bemerkte sie nicht. Zu sehr schoss ihr das Adrenalin durch die Adern, brachte ihre Ohren zum Rauschen, ohne ihr Gehör zu beeinträchtigen. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie ihren Umhang in Niradh hatte liegen lassen, doch es war nur ein flüchtiger Gedanke, der von dem Fluchttrieb des Raubtiers in ihr vertrieben wurde.

    Eine Senke tat sich vor ihr auf, welche von hohen Laubschichten gefüllt war. Brombeersträucher säumten den seichten Hang, ein Meer aus stachelbewährtem Gehölz. Für einen Wolf kein Problem, der sich nah am Boden halten konnte, doch für sie? Ein allzu animalisches Jaulen entfuhr ihr, als sie versuchte auf allen Vieren unter den Zweigen durchzuhuschen. Dornen rissen an den Überresten ihrer Kleidung, zerschnitten ihr das Gesicht. Auch Arme und Beine sowie ihr Rücken erhielten einen Vorgeschmack auf das, was die Snapper ihr antun würden, wenn sie sich nicht beeilte, schneller, besser wurde. Mit wenig Anmut und viel Schwung brach sie aus dem Dickicht am Boden der Senke, ihr Atem ging schnell und sie spürte, wie der Wind die Schnitte der Dornen entflammte. Sie zischte schmerzerfüllt, was sich zu einem weiteren Jaulen entwickelte. Den entblößten Arm, jenen, den sie im Zuge des Rituals mit dem Messer verletzt hatte, hob sie langsam näher an ihr Gesicht. Ihre Zunge schnellte vor, leckte über einen besonders Schmerzhaften Kratzer. Es kühlte die Wunde und sie empfing die Erleichterung mit geschlossenen Augen.

    GEFAHR!

    Wie ein Urschrei hallte es durch ihren ganzen Körper, jeder Muskel, jede Sehne, jede Zelle spannte sich an, als der tiefsitzende, naturverwobene Instinkt sie aus der welpenähnlichen Freude über das Erreichen der anderen Seite des Brombeerdickichts riss. Ihre Augen sprangen auf, suchten nach dem Ursprung der alarmierenden Ahnung. Ihre Ohren zuckten auf ungewohnte Weise, als sie den Kopf zur Seite legte, und dann hörte sie es, den angestrengten Atem der Jagdreptilien. Am Kopf der Senke, dort, wo sie ihren Abstieg begonnen hatte, tauchte ein kleines Jagdrudel aus drei Snappern auf. Schnarrende Geräusche waren zu hören, als sie die Beute mit ihren kleinen Augen entdeckten. Fauchendes Gebrüll wurde laut und die Echsen scharten mit den langen Klauen ihrer Füße durch den weichen Boden. Sie waren zu groß, um unbeschadet durch das Gestrüpp zu kommen, zumindest nahm Zarra das an. Es herauszufinden lag jedoch nicht in ihrem Interesse. Sie stürzte vor, weg von dem Rudel, das sie weg von ihrem Ziel trug. Sie lief den gegenüberliegenden Hang hinauf, versuchte der Senke zu entkommen, die sich als natürliche Falle für sie herausstellte. Immer wieder rutschte sie ab, glitt über die abgestorbenen Blätter und Zweige einige Schritt zurück in die Tiefe. Die Snapper witterten ihre Angst, rochen bereits das Fleisch, was bald ihre Mägen füllen sollte, auch wenn das Mädchen noch so mager war. Panisch packte sie mit den Händen in die feuchte Erde des Hangs, zog sich hinauf, Stück für Stück. Mit jedem Atemzug, den sie nahm, spürte sie, wie der Geist des Wolfes tiefer in ihr Bewusstsein eindrang.

    Ihre Krallen gruben sich in den Grund. Kräftig zog sie sich vor, ließ den seichten Anstieg mit einigen Sätzen hinter sich. Sie blickte zurück, taxierte die drei Snapper, welche ihr drohendes Gebaren und wütendes Knurren entgegenschleuderten. Die Echsen wurden rastlos, scharten mit ihren großen Füßen und suchten einen Weg durchs Unterholz. Der größte unter ihnen schnappte nach einem der anderen, welcher im Begriff war um die weite Senke herumzulaufen. Stattdessen klapperte er mit seinem Maul und die Zweibeiner begannen den Abstieg durch das dornenbewehrte Geäst. Laute des Schmerzes waren zu hören, doch es würde die Reptilien nicht lange aufhalten.
    Die Weiße Wölfin zog die Lefzen hoch, entblößte ihre Zähne, ehe sie sich abwandte und weiterlief. Erst in einem leichten Trott, der sich jedoch nach wenigen Schritt bereits in einen Galopp wandelte. Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit jagte sie durch den nördlichen Bruchwald, die Sinne aufs Äußerste geschärft. Jede Bewegung im Unterholz nahm sie wahr, die Welt war in Gerüche getaucht, die sie noch nie zuvor wahrgenommen hatte. So deutlich wie unterschiedliche Farben nahm sie sie wahr. Die Geräusche des Waldes und der Jagd drangen an ihr Ohr. Stoßartig hechelte sie, glich die Anstrengung und Hitze mit der kühlen Luft des Sumpfes aus.

    Immer weiter driftete sie Richtung Westen ab, fort von ihrem Ziel, aber auch fort von ihren Verfolgern. Der Wind pfiff ihr nun von hinten durch das aufgestellte Fell auf ihrem Kopf und sie nahm den Geruch der Snapper und frischen Blutes auf. Ein Grollen entsprang ihrer Kehle, tief aus dem Bauch heraus, als sie den Kopf wandte. Sie gewann an Vorsprung, spürte wie die Echsen ihren Fokus verloren und auch ihre Fährte.
    Das Geräusch plätschernden Wassers erregte ihre Aufmerksamkeit, der frische Duft eines Baches kitzelte ihre Nase. Sie konnte die Frische förmlich schmecken, während sie immer weiter rannte. Bald schon würde sie den Rand des Talkessels erreichen. Der Wasserlauf kam in Sicht und mit einem anmutigen Sprung überwand sie ihn, landete leichtfüßig auf der anderen Seite und tapste den Schwung elegant aus bis sie zum Stehen kam. Sie hob die Nase in den Wind, achtete auf die schwächer werdende Note ihrer Verfolger und den intensiven Geruch des Waldes um sie herum. Das Summen der Insekten blendete die Weiße Wölfin aus, lauschte lieber den raschelnden Blättern hoch über sich, den singenden Vögeln, die rar geworden waren. Das Knacken eines Zweiges unter den Pfoten eines Eichhörnchens erregte kurz ihre Aufmerksamkeit. All dies bildete eine Karte des Lebens um sie herum.

    Lautlos lief sie weiter, spürte die Textur des Bodens zwischen ihren Krallen, welche ihr davon erzählte, was gewesen war, nicht mehr zu sehen oder zu riechen. Sie fühlte die Weichheit des Mooses, die Unebenheiten der Baumwurzeln und die Schärfe eines Steins. Jeder Schritt war ein Wort in der Sprache des Waldes, und sie verstand sein Flüstern. Eine nahe Baumgruppe umrahmte einen Felsen, der eine Mulde dicht über dem Boden bildete. Sie schnüffelte, suchte nach Anzeichen eines anderen Tieres, welches hier kürzlich geruht hatte. Ein Dachs?
    Sie umkreiste das plattgedrückte Gras, ehe sie sich niederließ, den Bauch auf den Boden gedrückt. Ihre scharfen Augen beobachteten den Wald vor ihr, folgten den Bewegungen kleiner Nagetiere, die Stämme auf und ab huschten. Farben waren nicht mehr der dominante Faktor ihrer Sicht, viel mehr erkannte sie Kontraste, die sich gegen das dichte Grün abhoben.
    Ihr Instinkt riet ihr zu ruhen, abzuwarten, bis die Snapper endgültig die Verfolgung aufgaben. Sie legte ihren Kopf auf die Vorderläufe, wachsam und doch gleichwohl entspannt.

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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    Südöstlicher Sumpf, 2. Tag, später Abend - Chala, Valerion, Yarik

    Sie saßen am Feuer, alle für sich.
    Selena hatte Angst, obwohl sie es nicht zeigte, hatte sie sich ganz eng an ihn gekuschelt, versuchte mit einem Gespräch ihre Angst zu verbergen. Er konnte verstehen, was in ihr los war, so etwas war sicherlich nicht einfach. Valerion kannte das aus seinen ersten Tagen im Mienental. In Khorinis war er immer, ein angeberischer Kerl gewesen aber als er seine ersten Schritte im Minental gemacht hatte, spürte er die Angst. Doch er hatte sich bewiesen, war ein angesehenes Mitglied im neuen Lager gewesen, ein guter Freund und ein starker Kämpfer. Er wollte das wieder werden, hatte er sich vielleicht deswegen hier gemeldet, um wieder ein Ansehen zu genießen?

    Er hörte Selana zu, wie sie ihm erklärte, warum sie so werden wollte. Sie wollte ihrem Vater beweisen, wie stark sie war, zu was sie fähig war. Er wollte sie schon lange vermählen, damit sie sich um den Haushalt kümmern konnte und um die zukünftigen Kinder aber sie wollte nicht so werden, hatte sich deswegen ins Training gestürzt, wollte an der Wilden Jagd teilnehmen und der Gemeinschaft beweisen, das sie das Zeug dazu hatte. Sie hielt seine Hand, als sie sich für die Worte am Trainingsplatz entschuldigte.

    Also fing auch Valerion an zu erzählen, zwar nicht alles aber er erzählte ihr ein paar dinge aus seinem Leben. Wie er das Leben im Minental und auf Khorinis bestand, wie er seinen fuß auf Myrthana fasste, um dort eine neue Gemeinschaft zu finden, die unglaublichen Abenteuer und gefahren, die er überstanden hatte. Sie lauschte seinen Worten, ihre Lippen hingen quasi an seinen Ohren. Wahrscheinlich sah sie ihn nun aus einem anderen Blickwinkel. Er erzählte auch von Freunden und seiner Partnerin, die er verloren hatte.

    Tränen spiegelten sich in ihren Augen, er hatte gar nicht gemerkt, wie nah ihre Gesichter waren. Er blickte tief in ihre blauen Augen, ihre Lippen waren leicht geöffnet und zu einem Kuss geformt. Er hatte nicht gedacht, dass die beiden jemals so vertraut sein würden, so nah aneinander sitzen würden und sich vielleicht küssen würde.

    Kurz schielte er zu den anderen aus der Gruppe, doch die waren alle so mit sich selbst beschäftigt, das wohl niemand merken würde, was geschehen würde. Sachte näherte er sich ihrem Gesicht, er spürte ihren Atem, ihre Hand drückte seine fest und dann geschah es .... hätte es jemand gesehen, niemand hätte es geglaubt! Selana und Valerion küssten sich!

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