Die Gesamtaufwände für das Ausrüsten der Ukraine sind freilich viel größer, und dort scheinen unsere Unterstützungsleistungen unvermeidbar auf. Aber es ist auf psychologischer Ebene ein gewaltiger Unterschied, ob Deutschland die Ukraine direkt dazu befähigt, die Kertsch-Brücke zu sprengen und dadurch ein Schock-Moment mitsamt Propaganda-Steilvorlage für die Putin-Bande entsteht (mit entsprechender Vergeltung auf deutschem Boden) oder ob anhand unserer künftigen Munitionslieferungen die Ukraine erkennbar und in höherem Ausmaß selbst agiert, auch wenn es im Grunde nichts anderes ist (aber die Zeithorizonte und die Psychologie sind anders, zumal sich Russland eingestehen müsste, dass die eigenen Truppen in einem "fairen Kampf" versagen, denn Munition hätten ja beide Seiten).
Es ist doch noch viel schlimmer. Den Regierenden der NATO-Staaten ist nicht mal die Zerstörung der Kertsch-Brücke lohnend genug (obwohl sie militärisch-strategisch außerordentlich lohnend wäre), um dafür bloß einige zig Millionen Dollar (Brutto-Kosten, wenn man es sorgfältig macht) einzusetzen. Den Unterschied zwischen Investition (bzw. Hebelwirkungen von Investitionen) und Ausgaben verstehen die nicht mal hier, wo es um Leben und Tod geht. Sie verstehen es auch sonst nicht, weswegen der Karren auch wirtschaftlich so tief im Dreck steckt.
Natürlich bin ich dafür, dass Waffen von der DEUTSCHEN Rüstungsindustrie gekauft werden, und zwar aus ökonomischen Gründen und damit sie in die Lage versetzt ist, am laufenden Band zu liefern, auch wenn wir es für unsere eigene direkte Verteidigung brauchen. Aaber: Bereits ungefähr drei oder vier schmutzige Sprengköpfe würden ausreichen, um nahezu die gesamte deutsche
Fertigung von Rüstungsgütern nachhaltig zu zerstören, wo es um Endprodukte geht, Menschenleben im Umkreis inklusive. Und die landwirtschaftlichen Produkte wären nicht mehr für den Verzehr geeignet. Durch eine einzige derartige Aktion Russlands wäre Deutschland für mehrere Generationen faktisch am Boden.
Entwicklung und Vorprodukte sind dagegen über ganz Deutschland gestreut, das ist wenigstens einigermaßen schwer ausrottbar (jedoch konzentriert sich z.B. zu viel um München herum, das müsste breiter gestreut werden, wenn dort in zehn Jahren mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit noch Menschen leben sollen). Und diese Vorprodukte werden bereits exportiert, und es wird gut an ihnen verdient. Endmontage in Deutschland an ganz wenigen Standorten zu konzentrieren, wie es bisher geschieht, wäre wohl unklug.
Eine strategisch ordentlich aufgestellte Rüstungsindustrie hätte etwas von der mythologischen
Hydra. Massenproduktion ja, aber nicht an einem Standort konzentriert. In Friedenszeiten könnte man immer noch Standorte umwidmen. Trotz einer solchen Verteilung hätten wir immer noch genug zu tun für sämtliche jetzt noch unterbeschäftigte Personen. Wer nicht in der Rüstungsindustrie arbeitet, müsste anderweitig sinnvoll eingesetzt werden, damit die Gesamtkosten für diverse Herausforderungen zu stemmen sind.
Natürlich, und darin bin ich mit dir wohl komplett einig, wäre es wirtschaftlich besser, wenn das Geld an deutsche Rüstungsbetriebe zurückflösse und dort für Löhne und Investitionen eingesetzt werden würde. Aber ich fürchte, dass das, so in Reinform, zu riskant wäre.